§528
Meine Freiheit gegen die Welt sichere Ich in dem Grade, als Ich Mir die Welt zu eigen mache, d. h. sie für Mich „gewinne und einnehme“, sei es durch welche Gewalt es wolle, durch die der Überredung, der Bitte, der kategorischen Forderung, ja selbst durch Heuchelei, Betrug usw.; denn die Mittel, welche Ich dazu gebrauche, richten sich nach dem, was Ich bin. Bin Ich schwach, so habe Ich nur schwache Mittel, wie die genannten, die aber dennoch für ein ziemlich Teil Welt gut genug sind. Ohnehin sehen Betrug, Heuchelei, Lüge schlimmer aus als sie sind. Wer hätte nicht die Polizei, das Gesetz betrogen, wer hätte nicht vor dem begegnenden Schergen schnell die Miene ehrsamer Loyalität vorgenommen, um eine etwa begangene Ungesetzlichkeit zu verbergen usw.? Wer es nicht getan hat, der hat sich eben Gewalt antun lassen: er war ein Schwächling aus – Gewissen. Meine Freiheit weiß ich schon dadurch geschmälert, daß Ich an einem Andern (sei dies Andere ein Willenloses, wie ein Fels, oder ein Wollendes, wie eine Regierung, ein Einzelner usw.) meinen Willen nicht durchsetzen kann; meine Eigenheit verleugne Ich, wenn Ich Mich selbst – Angesichts des Andern – aufgebe, d. h. nachgebe, abstehe, Mich ergebe, also durch Ergebenheit, Ergebung. Denn ein Anderes ist es, wenn Ich mein bisheriges Verfahren aufgebe, weil es nicht zum Ziele führt, also ablenke von einem falschen Wege, ein Anderes, wenn Ich Mich gefangen gebe. Einen Felsen, der Mir im Wege steht, umgehe Ich so lange, bis Ich Pulver genug habe, ihn zu sprengen; die Gesetze eines Volkes umgehe Ich, bis Ich Kraft gesammelt habe, sie zu stürzen. Weil Ich den Mond nicht fassen kann, soll er Mir darum „heilig“ sein, eine Astarte ? Könnte Ich Dich nur fassen, Ich faßte Dich wahrlich, und finde Ich nur ein Mittel, zu Dir hinauf zu kommen, Du sollst Mich nicht schrecken! Du Unbegreiflicher, Du sollst Mir nur so lange unbegreiflich bleiben, bis Ich Mir die Gewalt des Begreifens erworben habe, Dich mein eigen nenne; Ich gebe Mich nicht auf gegen Dich, sondern warte nur meine Zeit ab. Bescheide Ich Mich auch für jetzt, Dir etwas anhaben zu können, so gedenke Ich Dir’s doch!
[Notes for §528 here]