§900
Doch nehmt einmal die Austern und laßt Uns an unser näheres Eigentum (denn jenes ist nur Besitztum), an die Arbeit kommen. Wir plagen Uns zwölf Stunden im Schweiße unseres Angesichts, und Ihr bietet Uns dafür ein paar Groschen. So nehmt denn auch für eure Arbeit ein Gleiches. Mögt Ihr das nicht? Ihr wähnt, unsere Arbeit sei reichlich mit jenem Lohne bezahlt, die eure dagegen eines Lohnes von vielen Tausenden wert. Schlüget Ihr aber die eurige nicht so hoch an, und ließet Uns die unsere besser verwerten, so würden Wir erforderlichen Falls wohl noch wichtigere Dinge zu Stande bringen, als Ihr für die vielen tausend Taler, und bekämet Ihr nur einen Lohn wie Wir, Ihr würdet bald fleißiger werden, um mehr zu erhalten. Leistet Ihr aber etwas, was Uns zehn und hundert Mal mehr wert scheint, als unsere eigene Arbeit, ei, da sollt Ihr auch hundert Mal mehr dafür bekommen; Wir denken Euch dagegen auch Dinge herzustellen, die Ihr Uns höher als mit dem gewöhnlichen Tagelohn verwerten werdet. Wir wollen schon miteinander fertig werden, wenn Wir nur erst dahin übereingekommen sind, daß Keiner mehr dem Andern etwas zu – schenken braucht. Dann gehen Wir wohl gar so weit, daß Wir selbst den Krüppeln und Kranken und Alten einen angemessenen Preis dafür bezahlen, daß sie nicht aus Hunger und Not von Uns scheiden; denn wollen Wir, daß sie leben, so geziemt sich’s auch, daß Wir die Erfüllung unseres Willens – erkaufen. Ich sage „erkaufen“, meine also kein elendes „Almosen“. Ihr Leben ist ja das Eigentum auch derer, welche nicht arbeiten können; wollen Wir (gleichviel aus welchem Grunde), daß sie Uns dies Leben nicht entziehen, so können Wir das allein durch Kauf bewirken wollen; ja Wir werden vielleicht, etwa weil Wir gern freundliche Gesichter um Uns haben, sogar ihr Wohlleben wollen. Kurz, Wir wollen von Euch nichts geschenkt, aber Wir wollen Euch auch nichts schenken. Jahrhunderte haben Wir Euch Almosen gereicht aus gutwilliger – Dummheit, haben das Scherflein der Armen gespendet und den Herren gegeben, was der Herren – nicht ist; nun tut einmal euren Säckel auf, denn von jetzt an steigt unsere Ware ganz enorm im Preise. Wir wollen Euch nichts, gar nichts nehmen, nur bezahlen sollt Ihr besser für das, was Ihr haben wollt. Was hast Du denn? „Ich habe ein Gut von tausend Morgen.“ Und Ich bin dein Ackerknecht und werde Dir deinen Acker fortan nur für 1 Taler Tagelohn bestellen. „Da nehme Ich einen andern.“ Du findest keinen, denn Wir Ackersknechte tun’s nicht mehr anders, und wenn einer sich meldet, der weniger nimmt, so hüte er sich vor Uns. Da ist die Hausmagd, die fordert jetzt auch so viel, und Du findest keine mehr unter diesem Preise. „Ei so muß ich zu Grunde gehen.“ Nicht so hastig! So viel wie Wir wirst Du wohl einnehmen, und wäre es nicht so, so lassen Wir so viel ab, daß Du wie Wir zu leben hast. „Ich bin aber besser zu leben gewohnt.“ Dagegen haben Wir nichts, aber es ist nicht unsere Sorge; kannst Du mehr erübrigen, immerhin. Sollen Wir Uns unterm Preise vermieten, damit Du wohlleben kannst? Der Reiche speist immer den Armen mit den Worten ab: „Was geht Mich deine Not an? Sieh, wie Du Dich durch die Welt schlägst; das ist nicht meine, sondern deine Sache.“ Nun, so lassen Wir’s denn unsere Sache sein, und lassen Uns von den Reichen nicht die Mittel bemausen, die Wir haben, um Uns zu verwerten. „Aber Ihr ungebildeten Leute braucht doch nicht so viel.“ Nun, Wir nehmen etwas mehr, damit Wir dafür die Bildung, die Wir etwa brauchen, Uns verschaffen können. „Aber, wenn Ihr so die Reichen herunterbringt, wer soll dann noch die Künste und Wissenschaften unterstützen?“ I nun, die Menge muß es bringen; Wir schießen zusammen, das gibt ein artiges Sümmchen, Ihr Reichen kauft ohnehin jetzt nur die abgeschmacktesten Bücher und die weinerlichen Muttergottesbilder oder ein Paar flinke Tänzerbeine. „O die unselige Gleichheit!“ Nein, mein bester alter Herr, nichts von Gleichheit. Wir wollen nur gelten, was Wir wert sind, und wenn Ihr mehr wert seid, da sollt Ihr immerhin auch mehr gelten. Wir wollen nur Preiswürdigkeit und denken des Preises, den Ihr zahlen werdet, Uns würdig zu zeigen.
[Notes for §900 here]