§3
Die Verfasserin von Godwie Castle scheint nur nachlässig zu schreiben: bei genauer Betrachtung ihres Stiles finde ich aber, daß sie sich große Mühe giebt, als gute Hausfrau mit den eingebildeten Reichthümern ihrer Sprache zu schalten: nicht als ob sie sparsam mit Worten und karg mit Ansichten wäre: im Gegentheil: sie stellt ihre Prunksachen gern zur Schau, bei jedem Besuch, den wir ihr machen, sucht sie uns durch Ueberladung von Puß zu blenden; oder, um zu der prosaischen Schulsprache von Beckers Grammatik zurückzukehren, fast jeder Saz in ihren Romanen leidet an einer allzugroßen Fülle von Beiwörtern und Nebenbestimmungen, welche für den hausmütterlichen Sinn der Verfasserin vielleicht Bedeutung haben mögen, dem Leser aber überflüssig und störend erscheinen. Fast jeder ihrer Säße macht auf uns den Eindruck jener bürgerlichen Pußstuben, in welchen die Hausmutter alle Pretiosen, die sich in grader Linie vom Urältervater herab vererbt haben, aufgestellt hat. Da muß denn natürlich die rechte Verbindung und Beziehung fehlen, oder, um wieder mit Becker zu reden, die Sastheile entsprechen sich nicht, die Construction fällt auseinander. Die Verfasserin von Godwie Castle ist so beeifert, uns ihre Reichthümer einzeln und pretentiös zuzuzählen, daß sie am Ende die Reihenfolge vergißt, in der sie das thut. Man lese folgenden Sat: „Leise aufhorchend so vielen Wundern, sie alle belauschend mit kindlich wachsamem Auge, so vertraut damit, so beseligt dadurch und zugleich so schüchtern, so behutsam, als könne ein zu kühnes Hinblicken oder Berühren die kleinen fleißigen Arbeiter (die Waldblumen nämlich) in ihrem Aufblühen, Duften und Reifen stören — so glitt Fennimors leichter Fuß durch die Pracht des Sommers.“ St. Roche II. 195. Ist nicht dieser Weiberfuß, welcher Ohren und Augen und Seeligkeit und Schüchternheit und Hände hat, werth, in dem Spiritus dieser Literaturzeitung aufbewahrt zu werden, dieser sentimentale Weiberfuß, welcher geeignet ist, eine Erfindung Matthissons zu sein?
[Notes for §3 here]