Hide Notes
⬅ Back

Schriften über den Pauperismus. Band II

Deutsch

Author: Carl Reichardt  Year: 1844  Mentioned in: The Holy Family (Chapter I, 1a '') 

§1 Die Gründe des wachsenden Pauperismus von A. T. Wöniger. (Schluß.)
[Notes for §1 here]
§2 Im Decemberheft der Literaturzeitung habe ich über eine von Herrn Wönigers publicistischen Abhandlungen „die Gründe des wachsenden Pauperismus“ einen Aufsatz geliefert, welcher des Verfassers Methode in der Behandlung der wichtigsten Zeitfrage keinen Beifall zollen konnte.
[Notes for §2 here]
§3 Ich habe ihm zum Vorwurf gemacht, daß er als Doctor der Philosophie und beider Rechte selbst über die Punkte, mit welchen er, vermöge seiner Stellung zur Intelligenz, vertraut sein muß, nicht klar ist, und mit seinen Ideen über Volksthum und Staatswirthschaft in den völligsten Widerspruch geräth.
[Notes for §3 here]
§4 Das jezige gesellschaftliche Verhältniß bringt es mit sich, daß die Sprache, welche über dasselbe geführt wird, offen und bezeichnend sey. Und wenn Jeder in der Klarheit der Gedanken und in der Offenbarung derselben, den Character des Radicalismus wieder erkennen muß, so ist zu sagen, daß gerade der Radicalismus berufen ist, den Pauperismus zum Gegenstand seiner Besprechung zu machen. Um so mehr wundere ich mich, daß Herr Wöniger als Politiker über Volksnoth das radikale Auftreten, welches sich nie durch Schmähungen einer oder der andern Parthei geltend zu machen sucht, bei jeder Gelegenheit schmäht, während er doch seines Gegenstandes wegen selbst radical seyn, wenn auch nicht möchte, doch müßte. Davon hält ihn aber eine gewisse Aengstlichkeit wegen Rücksichten ab, die geringen Kenntnisse selbst, die ihm über die Gründe der Volksnoth zu Gebote stehen, in einem öffentlichen Vortrage zu entwickeln. Er verwirrt sich in Widersprüche, verdammt die Radikalen, will liberal seyn, und stellt durch ein sonderbares Gemisch von Principien in seiner Person ein wahres Muster von Prinziplosigkeit auf.
[Notes for §4 here]
§5 Dr. Wöniger hat durch seine Thätigkeit als Publicist einen gewissen Namen. Dies gilt mir aber bei der Sache gleich viel. Ein größeres Interesse entspringt für mich aus der Ueberschrift seines Aufsatzes, da dieselbe einen Gegenstand berührt, welcher in jeßiger Zeit mit Recht die Aufmerksamkeit der gebildeten Welt in Anspruch nimmt.
[Notes for §5 here]
§6 Die deutsche Literatur ist in diesem Zweige so arm wie der größte Theil des Volkes selbst.
[Notes for §6 here]
§7 Von dem Wenigen, was mir mehr als Fragment über die gegenwärtige Volksnoth zu Gesichte gekommen ist, finde ich Dr. Wönigers Schrift noch am geeignetsten, an sie anzuknüpfen und sie citatweise bei dem weitern Verlauf meiner Abhandlung zu verwenden.
[Notes for §7 here]
§8 Ich will jedem Menschen den Besitz der völligsten Freiheit, seine Gedanken über die Sache, die er zum Gegenstand seiner Erörterung erwählt, der Oeffentlichkeit zum Besten zu geben, gern gönnen. Die Kritik hat aber ihre bestimmten Gefeße, eine Meinung zu verwerfen, welche auf keiner selbstständigen Ansicht beruht; eine Meinung, die zu corrupt ist, daß sie überhaupt als Meinung gelten kann. Zum Exempel wenn ich sagen wollte, daß die Noth nur eine Bestimmung sey: daß alle Unglücksfälle, welche den Menschen, das Volk und den Staat treffen können, nur eine Bestimmung der Vorsehung sey: so ist das corrupt, denn dann wäre es möglich, daß zulegt alle Reichen mit Namen im Kalender angeführt würden, da diese ihr Besißthum als eine Gnade des Himmels für ihre Frömmigkeit ansehen müßten. Dagegen werden Ansichten, welche aus der Wirklichkeit entnommen sind, unter den Augen jener Gedankenpolizei passiren, und das Interesse, wenn sie auch nicht vollkommen richtig sind, mit befördern helfen.
[Notes for §8 here]
§9 Dr. Wönigers Ansicht, daß durch nackte Darstellung der Grundübel in vielen Fällen sich auch die Heilmittel aussprechen können, ist ganz richtig, nur müssen die Ursachen nun auch aufgefunden und ohne alle Färbung hingestellt werden. Künstlich verborgen darf nichts werden, sonst ist es gar nicht anders möglich, als daß man sich mit sammt der Deffentlichkeit täuscht. —
[Notes for §9 here]
§10 Dr. Wöniger theilt die Armuth in verschuldete und künstlich unverschuldete. Vorerst nimmt die verschuldete Armuth unsere Aufmerksamkeit in Anspruch.
[Notes for §10 here]
§11 „Glaubensarmuth, Sittenlosigkeit – Prachtliebe – Vornehmthuerei – politische Unzufriedenheit ist der Character des heutigen öffentlichen Lebens.“
[Notes for §11 here]
§12 Es bedarf keiner Beweise, daß sich die Sache so verhält. Die Sittenlosigkeit im Gegensaß zu der früheren so gewöhnten kindlichen Frömmigkeit ist bei uns immerhin eine merkwürdige Erscheinung. Darum ist die Frage über ihre Abstammung sehr wichtig. Hat das Volk die Schuld der Glaubens- und Sittenlosigkeit selbst auf sich geladen; oder kann es gegen die Anklage protestiren, und dieselbe von sich abwälzen?!
[Notes for §12 here]
§13 In der bestimmten Richtung der Neuzeit geht die Hauptbewegung von der protestantischen Kirche aus. Herr Wöniger sagt über diese Richtung folgendes: St. Peter wird kaum noch zusammengehalten durch das gewaltige Dogma, welches den heiligen Vater zum Stellvertreter Gottes auf Erden seßt. In der protestantischen Kirche, wo es so an sichtbarer Einheit fehlt, beginnt alles auseinander zu fallen. Die Union und das Altlutherthum, die Wiedertäufer und die Brüdergemeinden, der Orthodoxismus und der Rationalismus, der Atheismus und der Pietismus, was sind sie anders als Zeichen „daß die Glaubenswärme erloschen sey.“
[Notes for §13 here]
§14 Allerdings muß mit diesem Volke eine merkwürdige Veränderung vorgegangen seyn, daß es mit dem alten Glauben, der sich Jahrhunderte von allen materiellen Interessen schied, und höher als Gut und Leben geachtet wurde, zerfallen ist. Die Alt- und Neugläubigen, der Pietismus und der noch eigenthümlichere Standpunkt der Glaubensmenschen, welche den Glauben an die Geschichte der sieben Brüder und den Märtyrertod eines heiligen aus der Apostelgeschichte als eine absolute Bedingung für das Erlangen der ewigen Seligkeit betrachten; diese sehen in der Gegenwart die ganze Offenbarung Johannis sich furchtbar gestalten, man höre ihre Reden! Ihr höchstes Ideal liegt in dem Ruhm, die Vernunft für ihren Glauben zu opfern. Mit einer merkwürdigen Naivität erzählen sie von ihren Visionen, alte elende Wunderbücher dienen als Wegweiser für ihre Berechnung, daß der jüngste Tag im Jahr 1850 bestimmt erscheint. Die lettere Classe ist in einen völlig sinnlosen Taumel verfallen. Im Gegensatz zu diesem religiösen Taumel existirt – wer will läugnen – der materielle Taumel oder besser Schwindel. Menschen, die sich um Nichts bekümmern, als wie sie ihre Nebenmenschen betrügen können, Menschen, die nur die Zinsen ihres Geld-Capitals berechnen und sich wenig darum bekümmern, ob sie durch gute Thaten einen andern Schatz sammeln, der ihnen im Himmel seine Interessen tragen wird; Menschen auch, die über die drückende Noth, die sie täglich erdulden und die in ihnen nur die Sorge für die Existenz des nächsten Morgens aufkommen läßt, nichts weiter denken, als welchen Schnaps sie am Sonntag trinken: Ja, das sind alles Atheisten. Ist aber etwa der Atheismus Schuld an ihrer Armuth? nein, er ist das sie begleitende. Doch davon später. Hier nur recht gern zugegeben, daß der Begriff der Sittenlosigkeit auf die Mehrzahl derer, die vom Gelde, sey es des Reichthums, sey es der Armuth wegen, abhängen, anwendbar ist.
[Notes for §14 here]
§15 Bei solchen Erscheinungen wird gewöhnlich zuerst gegen die Wissenschaften zu Felde gezogen. Es treten schnell überkluge Moralisten auf und wissen der Literatur, welche sich mittlerweile gebildet hat, die Hauptschuld des Unglücks auf den Hals zu wälzen.
[Notes for §15 here]
§16 „Eine durch Voltaires klare Grundsätze, von einem geistreichen Monarchen begünstigte Freigeisterei, ferner die Entwickelungen der Philosophie, die Fortschritte in den Naturwissenschaften und ein materieller Zeitanflug haben die Glaubensopposition ins Leben gerufen.“
[Notes for §16 here]
§17 Die Opposition ist da. Wir wollen die Meinung gar nicht widerlegen, daß die Wissenschaften das ihrige dazu beigetragen haben, die Ideen des einen Theils der Menge über die eigentliche Bestimmung des Menschen aufzuklären und sie über ihren früheren Standpunkt zu erheben, des andern aber, in eine totale Finsterniß zu stürzen.
[Notes for §17 here]
§18 Gewöhnlich ist Voltaire der Sündenbock, welchem die Schuld des Unglaubens aufgebürdet wird. Man thut diesem fast zu einer Fabel gewordenen Menschen am Ende ganz unrecht. Voltaire war nichts weniger als Atheist. Er glaubte an ein höchstes Wesen; er war zwar nach gewöhnlichen Begriffen ungläubig, dies verhinderte ihn aber nicht, ein Wohlthäter der Menschheit zu werden.
[Notes for §18 here]
§19 Die berühmten Uhrenfabriken in den Schweizer-Landschaften sind theilweise seine Schöpfungen, auch soll er viel Geld für anderweitige Unterstützungen verwendet haben. Er selbst hat davon, so viel ich weiß, außer in den Briefen, welche er an den König von Preußen geschrieben hat, in seinen Werken kein Geschrei erhoben; auch haben andere, wie sich leicht erklären läßt, bei seinen Lebzeiten, aus Neid gegen ihn nicht gleich publik gemacht, wenn er an die Armen dreißig, hundert oder tausend Thaler geschenkt hat. Will man solchen Handlungen auch Absichten zu Grunde legen? will man sie auch auf Rechnung des Egoismus sezen? so vertragen sie sich mit der christlichen Humanität jedenfalls besser, als wenn gegen die Noth gar nichts geschicht, oder das, was geschieht, den Herzenswunsch nach einer traurigen Berühmtheit befriedigen soll.
[Notes for §19 here]
§20 Anders als wie mit Voltaires, von Friedrich dem Großen begünstigter Freigeisterei und den Naturwissenschaften verhält es sich mit dem materiellen Zeitanflug. Das ist kein Anflug, das ist eine vollständige Reformation des deutschen National-Charakters. Leben, und zwar reell leben, ist jedes Volkes und also auch des deutschen Volkes erste Bedingung: sie war es auch in dunklern Zeiten, wo der Glaube an eine absolute Bestimmung das Volk allerdings noch fester wie jezt an die Bande des Gehorsams fesselte; man glaube aber nicht, daß die Nation bei ihrem stärkern Glauben einer wahrhaften Antinational-Deconomie in Friedenszeiten lange vertraut hätte.
[Notes for §20 here]
§21 Dies Volk hat eine zu bestimmte Gewohnheit, eine Sache bedächtig zu prüfen, ehe es sich auf dieselbe einläßt. Deshalb können wir dreist behaupten, daß die Philosophen in Sanssouci über gewisse Dogmen der christlichen Kirche und ihre Vertreter auf ihre Manier lange kritisiren konnten, ehe sie das Fundament der alten Religion in den Herzen des Volkes erschütterten.
[Notes for §21 here]
§22 Als es aber mit der Zeit immer verständiger wurde, und sah, daß der Glaube nicht für Hungersnoth schüßte, als es inne wurde, daß die edelsten Empfindungen des menschlichen Herzens von dem Gewicht des Geldes in Sumpf und Morast gedrückt werden, da geschah es, daß es gegen diesen Glauben erkaltete, der ihr durch eitles Wortgepränge nicht wiedergegeben werden konnte.
[Notes for §22 here]
§23 Sind die Menschen ausgeartet, will einer dem andern nicht mehr glauben, beobachten sie sich mit einem gegenseitigen Mißtrauen, dann wird der Stab über die Wissenschaften gebrochen. Dann heißt es, diese tragen die größere Schuld. Was hatte wohl in Deutschland das arbeitende Volk mit der Natur- und Rechtswissenschaft zu thun?! Bete und arbeite war und blieb dessen Wahlspruch, troß der Kritiker in Sanssouci.
[Notes for §23 here]
§24 Die Nation hat sich, so lange sie arbeiten konnte, und für die Arbeit angemessen belohnt wurde, stets dem Bestehenden und den Gesezen desselben zugewandt. Sie war bei aller Verfinsterung der Gemüther stolz auf den deutschen Namen. Er repräsentirte das Wort, die Ehrlichkeit! Jetzt gilt kein Wort und kein gegebenes Versprechen mehr. Woher kömmt also dieser Unglaube, diese Freigeisterei, kommen sie durch die Wissenschaften? Wenn dies der Fall ist, wenn das Volk durch die Wissenschaften verarmt, kann man sie dann als Ursachen selbstverschuldeter Armuth ansehen? Diese Lebensanschauung entspringt also einer ganz verschrobenen Ansicht.
[Notes for §24 here]
§25 Wäre die Nation politisch selbstständig, dann ginge auch jedes Unheil, was sie betrifft, von ihr selbst aus. So aber ist sie von den Regierungen abhängig, sie wird durch die Regierungen gleichsam erzogen und geleitet, sie hat zu den Gefeßen das vollkommenste Vertrauen, weil sie nach civilisirten Begriffen partheilos über das Gesammtinteresse wachen, weil sie persönlichen Schuß und reellen Unterhalt gewähren. Ja, das deutsche Volk will nichts weiter als unter dem Schuß solcher Geseze leben. Die Nation war bisher mit dem Loos einer gesicherten Abhängigkeit ganz zufrieden gestellt; ihre politischen Wünsche sind sehr bescheiden: aber eine größere Aufmerksamkeit verwendet sie auf reelle Grundsätze in ihren bürgerlich gesellschaftlichen Verhältnissen.
[Notes for §25 here]
§26 Sieht das Volk vermöge seines gefunden Sinnes seine Existenz bedroht, wird der Verstand durch die Erfahrung geläutert, daß selbst die Religion zum Deckmantel der Selbstsucht dient; was wunder, wenn es gegen einen solchen Glauben erkaltet?
[Notes for §26 here]
§27 Wahrlich, es ist nicht einerlei, durch welche Mittel die Nation ihre Existenz findet. Es ist ihr einzigster Wunsch, vernünftig leben zu wollen, darum kömmt auch alles darauf, daß sie, durch Anordnungen und Beispiele erzogen werde, die des Vertrauens werth sind. Mit einem Wort; was will Civilisation im Angesicht von Noth und Elend bedeuten; ist aus der Civilisation ein solches Resultat erfolgt, dann ist es erbärmlich, wenn noch von Humanität geredet wird. Denn niemals kann Humanität in der Wirklichkeit zu finden seyn, wenn sich die Menschheit gezwungen sieht, durch charakterlose Grundsätze ihre Existenz zu erkämpfen.
[Notes for §27 here]
§28 Dr. Wöniger sagt im ersten Abschnitt über selbstverschuldete Armuth: „das erste Bedürfniß des denkenden Menschen, so wie er über die Natur hinausgeht, ist das Bedürfniß zu einem höhern Wesen &c.“ Man stelle nur die physische Seite des Menschen auf keine zu harte Probe, sonst möchte dem Geist die Lust, an Hohes, Höheres und Höchstes zu denken, benommen werden.
[Notes for §28 here]
§29 Weiter. „Je fester und inniger sich der Mensch an seine Gottheit schließt, um so nüchterner und besonnener, weil geistiger, wird derselbe in allen Lebensverhältnissen. Die Arbeit gestaltet sich zur Lust, Befriedigung nach Innen, Wohlstand nach Außen. Dies ist zugleich der Communialpunkt der Staaten. Mit dem steigenden Luxus, dem Wissen, den vermehrten Bedürfnissen und der Cultur naht sich der Wendepunkt &c.“ Gut! weiter wird gesagt, daß die Weltgeschichte groß und deutlich aufgezeichnet hätte, was für die Staaten selbst von den Uebergängen aus dem religiös-einfachen Zustande der Völker in das Reich der höheren Cultur zu erwarten sey. Wenn man aber so große Beispiele vor Augen hat, dann zeigt sich dem aufgeklärten Verstande als nothwendige Schlußfolgerung, daß die Nationen zwar nicht der Civilisation zu berauben, daß sie aber mit ihr vor Hunger und Elend zu bewahren sind. Der Magen ist ein fürchterlicher Mahner. Wenn der Magen bei jedem weltgeschichtlichen Act die Hauptrolle gespielt hat, dann hätte man bessere Tractate mit ihm schließen müssen, man hätte sich seiner nach dem zweiten pariser Frieden versichern sollen.
[Notes for §29 here]
§30 Ein jeder Arzt möchte übel berathen sein, wenn er, ohne die Ursachen der Krankheit zu kennen, die Kur mit dem Patienten auf ihre äußerlichen Kennzeichen unternehmen wollte. Erst muß er die Ursachen, den Stoff wissen, wodurch die Krankheit herbeigeführt wurde: Dann erst kann er sich über das Zunehmen derselben die richtige Ansicht verschaffen und ihre Heilmittel vorbereiten.
[Notes for §30 here]
§31 Ich gehe mit besonderm Bedacht auf Dr. Wönigers Motive in der Behandlung der selbstverschuldeten Armuth jeßt über. Er will die Gründe des wachsenden Pauperismus nachweisen, und glaubt durch Darstellung der äußerlichen Kennzeichen die Gründe erforscht zu haben, und dem leidenden Volke durch Aufstellung der nackten Thatsachen in so fern nüßlich zu seyn, als sie in vielen Fällen die Heilmittel des Uebels aussprechen könnten.
[Notes for §31 here]
§32 Die Absicht wird immer sehr gut seyn, wenn sie auch durch den Schein der Selbstgefälligkeit getrübt wird, welcher sich in der Schrift zu deutlich durch eine sich vordrängende Meinung zu erkennen giebt. Untersuchung solcher Gründe, wovon hier die Rede ist und Beobachtung der Sache, ist durchaus zweierlei. Die bloße Beobachtung findet allerlei Ausflüchte, dem Dinge eine mögliche unschädliche Richtung zu geben, wie sie in seiner Abhandlung häufig vorkommen, gleich wie der Arzt, wenn er sich bei schwierigen Umständen nicht besser zu helfen weiß, als den Patienten mit tröstenden Worten zu Tode zu füttern.
[Notes for §32 here]
§33 Des Verfassers Ideen schweifen förmlich in der Neuzeit, und finden aus den Handlungen der Menschen die ganze Immoralität, die ganze Zerrissenheit in den jetzigen gesellschaftlichen Verhältnissen, ohne sich anders helfen zu können, als auch die Ursachen auf die Opfer der Verzweiflung fallen zu lassen.
[Notes for §33 here]
§34 Seine Abhandlung über selbstverschuldete Armuth ist voll von redeflüssigen Schilderungen im Allgemeinen wie im Einzelnen. Die Demoralisirung der Gemüther ließe sich bis auf das Kleinste nachweisen und aus Beispielen des Tages erhärten.[“] Leicht ist über das gefallene Subject der Fluch eines unvernünftigen Urtheils geschleudert. Er hat es nicht besser verdient.
[Notes for §34 here]
§35 Da nun in dieser Zeit das Vorurtheil als Leichtsinn seinen Sitz aufgeschlagen hat, so dauert es erstens sehr lange, ehe man sich über die Ursachen solcher Erscheinungen zu belehren sucht, und dann ist es überhaupt schwer, dieselben ausfindig zu machen.
[Notes for §35 here]
§36 Das Zunehmen der Sittenlosigkeit und die daraus entspringenden Thatsachen sind nur die Zeichen der Volksnoth, die Gründe gehen von den falschen Vorstellungen aus, welche sich die Verwaltung über die Art der Unterhaltung und über den Erwerb des Besißthums in staatsbürgerlichen Verhältnissen gemacht hat. Gewöhnlich gehen dann die Fehler Hand in Hand; die Klagen des Volkes werden nicht gehört, weil man in der Stimme des Volkes nicht geneigt ist, ein Urtheil zu erkennen. Wir haben Vertreter, es konnte durch diese jeder Distrikt in den Städten wie auch auf dem flachen Lande beaufsichtigt und der Zustand des Volkes ermessen werden. Man hat bei jeder Sache den Grundsatz: „was einmal nicht geht, das geht nicht.“ Um so mehr muß derselbe in der Staatswirthschaft heilig gehalten werden, da es wahrlich keine Kleinigkeit ist, wenn das Volk an den Bettelstab gelangt. Der Staat hat sein Recht, aber das Volk auch: und das wird jeder Vernünftige einsehen. Wir werden an seinem Ort die Sache mit allem Respect, der uns zukommt, weiter besprechen. Wenn wir aber nicht geneigt sind, die Schuld der Sittenlosigkeit nach Dr. Wönigers Betrachtung, aus den täglichen Beispielen, auf die gefallenen Opfer des Egoismus zu wälzen, und bei diesem Capitel von dem Grundsatz ausgehen: „daß der elendeste Schuft sich über die Ursachen, wodurch er ein solcher geworden ist, vertheidigen kann, und daß es nicht dem Menschen, sondern nur einem tadellosen Gesetz zusteht, das Subjekt der Sünde zu verdammen“: — wird man sich nicht wundern.
[Notes for §36 here]
§37 Wir beschäftigen uns hier mit Deutschland! Eben deshalb werfen wir die bestimmte Frage auf; „ob es eine verschuldete Volksarmuth giebt oder nicht.“ Es giebt andere Völker, oder wie man, ohne eine Ungerechtigkeit zu begehen, sagen muß: ganze Stände bei andern Völkern, welche instinktmäßig faul sind, die in ihrer Faulheit sich fortwälzen. Bei dem Deutschen bleibe man aber mit solchen Urtheilen weg, selbst wenn man sich Mühe giebt, durch das Einwirken dieser oder jener Umstände das Urtheil zu mildern. Wir und alle unsere Zeitgenossen wissen recht wohl, was Herr Wöniger in seiner Schrift sagt; „daß die Grundsatzlosigkeit nicht allein in den größern Städten eingebürgert sey, sondern daß sie sich auch über die Provinzen ausgebreitet habe, und daß dort unter den Menschen bereits der Lebensernst fehle.“ Aber auf einzelne Beispiele von Sittenlosigkeit sich zu berufen, geziemt weder dem Politiker, noch dem Staatsmann.
[Notes for §37 here]
§38 Herrn Wöniger hat ein erfahrener hochbejahrter Arzt aus einer unbedeutenden mecklenburgischen Landschaft geschrieben: „daß sich Leichtsinn und Sittenlosigkeit zu den ergiebigsten Quellen seiner Praxis gestalteten. Venerie und Trunksucht seien die größten Leiden der Gesellschaft.“
[Notes for §38 here]
§39 Die Correspondenz des mecklenburgischen Arztes über den dortigen Zustand der Kranken, ist an sich selbst keine Erheblichkeit: erst aus Herrn Wönigers Folgerung wird dieselbe verdächtig. Die Folgerung lautet: „Wer wird läugnen, daß diese Thatsache, die für den ernsten Beobachter des Lebens keiner weitern Ausführung bedarf, mit dem Glaubensverfall im engsten Zusammenhange steht? Allmähliches Verschwinden der Wohlhabenheit in den mittlern Klassen und gänzliche Verarmung der arbeitenden Volksklasse war und bleibt die Folge.“
[Notes for §39 here]
§40 Venerie und Trunksucht seien jetzt die größten Leiden der Gesellschaft, in einer mecklenburgischen Landstadt.
[Notes for §40 here]
§41 Das ist schlimm! sehr schlimm! Ueberhaupt, da die Folgen dieser kleinen Local-Unmäßigkeit im Allgemeinen mit dem Glaubensverfall, und endlich mit der Verarmung der mittlern und untern Volksklassen in engsten Zusammenhang gestellt wird. Die obern Klassen bleiben natürlich von der Seuche verschont, da sich der Fall in einer kleinen Stadt zutrug.
[Notes for §41 here]
§42 Herr Wöniger nennt zum Beispiel die Fahrt eines reichen Hollsteiner Bauern, mit einer vierspännigen Equipage nach der Kirche, oder die feine Tracht seiner Frau, eine Abnormität!“ Ich selbst habe mich überzeugt, daß im Altenburgischen die Bauern bei Ehrenfesten eine zahlreiche Gesellschaft mit echten Silber-Service bewirthen lassen. Ich habe mir dabei gedacht, diese Leute besitzen keine gemeine Selbstsucht, sonst würden sie uns auf Holztellern essen lassen, wie es früher Mode war. Was ich nun eine Abnormität nenne, das ist, wenn ich aus dem Bericht eines mecklenburgischen Arztes, der vielleicht gerade an einigen venerischen, trunksüchtigen Kuren gemacht hat, gleichsam das Leben in dieser Zeit zu charakterisiren gedenke und die Ursachen des Elends nachweisen will.
[Notes for §42 here]
§43 Wenn Herr Wöniger überhaupt die Kranken im Mecklenburgischen nicht selbst gesehen hat, dann möchte es der öffentlichen Meinung gestattet seyn, den Arzt für keinen großen Praktikus zu halten, der durch seine Kuren ganz Mecklenburg in Verruf bringen kann.
[Notes for §43 here]
§44 Wer wohlhabend oder reich ist, und macht bei den bestehenden Verhältnissen einen nützlichen Gebrauch von seinem Vermögen, der ist ein Freund der Gesellschaft, indem er den Ueberfluß seines Vermögens mit Anstand unter seine Mitmenschen zu bringen sucht. Weder Hollstein noch Altenburg werden an dem Luxus der Bauern verarmen. Dort hat sich unter den wohlhabenden Leuten die Sitte, viel Geld auszugeben, nur verfeinert. Erst wenn sie in ihren Handlungen filzige Geizhälse und geflissentliche Gauner geworden sind, wollen wir weiter über sie reden.
[Notes for §44 here]
§45 Wir wollen jetzt über mehrere deutsche volksthümliche Eigenheiten eine nähere Betrachtung aufstellen, die eben jetzt, wo durch die complicirten Verhältnisse allgemeine Vertrauenslosigkeit und großer Nothstand herrscht, dem Menschen, der nichts hat, als Verbrechen angerechnet, und in Herrn Wönigers Schrift als die eigentlichen Gründe der selbstverschuldeten Armuth hervorgehoben werden.
[Notes for §45 here]
§46 „Faulheit — Speculation — Tanz — Spiel — Hoffarth — Trunksucht — sind an der Tagesordnung.“
[Notes for §46 here]
§47 Besser wäre es, man ließe den Possenreißer Abraham a Sancta Clara über alle diese Untugenden eine Rede halten, da er von allen, die bis jetzt gelebt haben, die Menschen in ihrem Thun und Treiben am sorgfältigsten beobachtete und über sie zu kritisiren wußte. Das Raisonnement des Herrn Wöniger über das neue Spiel der Leidenschaften ist gerade auch nicht das schlechteste, aber es ermangelt der Schärfe und Bestimmtheit im Ausdruck, zu welchen jener berühmte Mann durch seine psychologischen Studien gelangen konnte.
[Notes for §47 here]
§48 Zuerst „Faulheit und Speculation.“ Beides scheint heute mehr oder weniger vorzuherrschen und dadurch nicht geringe Quelle der Armuth, geworden zu seyn. „Scheint!“ ist gar nichts gesagt. Es ist, oder es ist nicht vorherrschend. Keins von Beiden. Wir wollen hier die Umstände, welche aus dem bürgerlichen Geschäftsgange auf den Nothstand hinführen, etwas näher betrachten, um gewissen Meinungen, die gegen das Wollen der jeßigen Generation sprechen, entgegen zu treten.
[Notes for §48 here]
§49 Die Leichtigkeit, mit welcher die hiesige Gewerbefreiheit den Selbstbetrieb eines Gewerbes oder Handels gestattet, trieb in einer Reihe von Jahren die Concurrenz der Producenten gegen die Consumtion der Bedürfnisse zu einer furchtbaren Majorität. Bis auf den Punkt, wo die Consumtion mit der Production im ziemlichen Verhältniß stand, ging alles gut, indem der Arbeiter Beschäftigung fand und für gute Arbeit auch guten Lohn. Wir wollen im preußischen Staat die Zeit, wo Fabrikanten und Professionisten ihre Rechnung fanden, vom Schluß des Friedens bis zum Jahr 1830 festsetzen, wenngleich die Blüthenzeit bis etwa 1825 dauerte, weil von da an sich schon Symptome einstiger Noth im Bürgerstande zeigten. Hier ist zu bemerken, daß, da in den übrigen Staaten Deutschlands die Legitimation bei einem selbstständigen bürgerlichen Geschäftsbetrieb beibehalten wurde, sich alle Ausländer, die weder Geld noch Fähigkeiten hatten, unter solchen Bedingungen einen eigenen Heerd zu gründen, sich alle nach Preußen als den neuen Heerd der Freiheit wandten. Ich selbst bin ein Ausländer, bin mit der Lawa dieses Völkerstroms gestiegen und gefallen, bin durch die Schule, welche man anstatt Erfahrungen, mit Schicksal bezeichnen kann, gewandert; um dieses hier schreiben zu können. Hier selbst findet bei der bürgerlichen Aufnahme gegen baares Geld keine große Bedenklichkeit statt. Es wird zwar über alle Bewerber des Bürgercreditivs durch Bezirksvorsteher eine Controlle geführt, welche die Ehre und die Würdigkeit des Subjectes beim Magistrat nachweisen soll, da aber diese Leute weder die Existenz des Supplicanten, noch ihr Verhalten in der Commune kennen, so sage ich nur so viel, daß der Nachweis, den die Bezirksvorsteher geben können, so viel wie nichts bedeutet.
[Notes for §49 here]
§50 Uebrigens ist bei dieser Einrichtung die Volljährigkeit des Subjects, welches einen Handel oder ein Gewerbe betreiben will, gar nicht nothwendig. Es wird auf ein schon ansässiges Mitglied in der Commune ein Gewerbeschein gelöst und auf diesen das Gewerbe oder der Handel betrieben, was sich ein Jeder zum Nahrungszweig gewählt hat.
[Notes for §50 here]
§51 Diese Einrichtung ist zu willkührlich, als daß nicht der größte Mißbrauch damit getrieben werden sollte. Ohne das Wesen dieser Einrichtung zu kennen, begiebt sich jeder junge Bürger in sie hinein und da ist es denn das erste, daß er auf Concurrenz stößt, das heißt, daß er seines Gleichen in Menge vorfindet, welche schon in Folge ihrer selbstständigen Praxis mit den Maximen der Zeit besser fertig werden können als der Neuling. Alle diejenigen, denen die Geschicklichkeit abgeht, sich von Hause aus der materiellen Conflicte zu bemächtigen, verlieren unter lauter fruchtlosen Versuchen, mit ehrlichen Grundsätzen die Balance zu behalten, das Gleichgewicht und stürzen in den Strudel der Leidenschaften hinein, worin sie entweder umkommen: oder sie besitzen nach diesem ersten Schlage noch Kraft genug, in einem Höllenkampf mit allen Zweifeln fertig zu werden. Man wundere sich nicht, wenn sich diese Sorte in einer ganz andern Gestalt wieder auf der Oberfläche zeigt. Die Wahrheit ist keine leichte Eroberung. Welche Mittel dann ein Jeder gebraucht, einen neuen Feldzug, und zwar nicht für, sondern gegen materielle Interessen zu unternehmen; dies speciell zu erörtern, füllt den Inhalt eines Buches, deshalb kann ich in dieser Abhandlung nicht darauf eingehen. Die Hauptsache richtet sich hier gegen das Urtheil der gesicherten Corporationen über das Wollen und nicht Wollen der existenzlosen Handels- und Gewerbetreibenden Classe.
[Notes for §51 here]
§52 Untersucht bei allen denen, welche nach erlangter Volljährigkeit ein bürgerliches Creditiv präsentiren, ob sie durch Ermangelung des guten Willens, reell existiren zu wollen, eure Bettler geworden sind. Ich will selbst die Classe, welche vermöge ihrer Minderjährigkeit den Verstand zu ernsten Lebensverhältnissen gar nicht haben kann, nicht ausschließen, daß sie anfänglich den guten Willen an den Tag legte, durch mehr als geregelte Thätigkeit und reelle Grundsätze die Existenz zu behaupten. Untersucht, findet den Grund ihrer Verarmung, und dann sagt, ob die Leute verschuldet oder unverschuldet an den Bettelstab gelangt sind.
[Notes for §52 here]
§53 Betrachtet die gegenwärtige Volksnoth auch von der Seite, daß bei der ganzen arbeitenden Classe der gute Wille gemangelt hätte, durch geregelte Thätigkeit dem existenzlosen Elend zu entgehen, so geht doch die Einrichtung, welche dem Volke die Mittel zur Faulheit und Speculationssucht gab, nicht von diesem aus, da es in den complicirten Verhältnissen der gehorchende Theil und für keine Neuerung in der Staatswirthschaft verantwortlich ist. Mögen sich jetzt die Fälle im Einzelnen oder in der Gesammtmaße zeigen, daß die Menschen mit Faulheit und Speculation die große Strecke eines ganz verfehlten Lebens durchwandern wollen, so sind es bei diesem Volke die Folgen der neuern Einrichtung, nicht aber die Gründe und Ursachen, wodurch es in Noth und Elend geräth.
[Notes for §53 here]
§54 Ich habe schon oben gesagt, daß man bei den deutschen Völkerschaften mit den vorschnellen Urtheilen wegbleiben soll, mit Urtheilen, welche diese Völker der Nachlässigkeit und Faulheit in ihren rein bürgerlichen Verhältnissen bezüchtigen wollen.
[Notes for §54 here]
§55 Ich lege auf das Urtheil der gesicherten Corporation über den gegenwärtigen Nothstand nicht den mindesten Werth.
[Notes for §55 here]
§56 Was können die Geldmenschen, welche theils durch Glücksumstände, theils durch Raffinement in den Vorzug eines gemächlichen Lebens gesetzt sind, von ihren unterdrückten Mitmenschen für ein anderes Urtheil haben; als „wer weiß, was an ihrem Unglück schuld ist – oder: sicher! sie haben ihr Loos nicht besser verdient, sie sind faul, nachlässig u. dgl. m. gewesen.“
[Notes for §56 here]
§57 Noch jetzt, wo die Majorität der productiven Gewerbeklasse durch tägliche Zunahme eine drohende Stellung eingenommen hat, wo, wie Herr Wöniger sagt, der Pauperismus einen politischen Character usurpirt hat, herrscht die Meinung: „daß der geschickte Arbeiter schon gesucht und sein Brod finden würde.“
[Notes for §57 here]
§58 Selbst diejenigen, welche im praktischen Geschäftsgange selbst mitwirken und Erfahrung haben sollten, glauben der Regierung keinen bessern Dienst erweisen zu können, als wenn sie dieselbe in einer falschen Meinung bestärken.
[Notes for §58 here]
§59 Nein! es wird keiner mehr gesucht, denn ein oder zwei solcher Fälle können kein Gewicht in die Waageschale des Völkerschicksals legen. Nicht seit gestern und heut, sondern seit Jahren ist jeder junge Staatsbürger darauf angewiesen, sein Brod selbst zu suchen; und dies ist oft ein gar elendes Geschäft, da es mit Aufopferung aller edeln Charakterzüge vollzogen wird, welche dem gebildeten Menschen in bessern Verhältnissen keinen Augenblick fehlen dürfen.
[Notes for §59 here]
§60 Wie die Sachen stehen, so hat die jetzige Generation für ihre erste Bedingung, für ihre Unterhaltung weder Schutz, noch kann sie für ihre Existenz eine andere Hoffnung in Aussicht stellen, als dieselbe auf den Untergang ihrer Mitbürger zu gründen. Jetzt gilt das Recht des Stärkern — das heißt: des größten Heuchlers oder Betrügers.
[Notes for §60 here]
§61 Es wird nicht mehr darnach gefragt: wie hast du dein Besißthum erworben; das gilt bei der Sache gleich viel. Wenn ich es nur habe und mich darin zu behaupten weiß, dieser Materialismus läßt keine andern Grundsätze gegen den Jesuiten-Glauben aufkommen, „der Zweck heiligt die Mittel.“
[Notes for §61 here]
§62 Noch einmal! — die jungen Leute des Handels- und Gewerbestandes bringen immer den guten Willen, durch mehr als geregelte Thätigkeit sich Unterhalt und Brod zu verschaffen, mit. Bald werden sie aber gewahr, daß man ihrer nicht bedarf, und daß, wenn sie leben wollen, dies nur auf Kosten ihrer Concurrenten geschehen kann, indem sie die Arbeit, deren Ertrag sie und ihre Familien ernähren soll, stets billiger herstellen müssen, als dies der Consument von seinem frühern Arbeiter verlangte. Durch diesen seit Jahren getriebenen Wechsel sind die Preise für die Arbeiter so gestellt, daß sich jezt eine ganz natürliche Opposition gegen ihre noch weitere Herabsetzung gebildet hat, indem die Menschen von dem Ertrag der Arbeit nach Abzug der Kosten kaum leben, noch viel weniger auf Ersparung und reellen Unterhalt rechnen können.
[Notes for §62 here]
§63 Dann kömmt in dieser willkührlichen Gewerbeeinrichtung auch noch häufig der Umstand zum Vorschein, daß der Arbeitsfähige dem Ungeschickten und Unfähigen sehr oft das Feld räumen muß, da diesem letzteren entweder mehr Geld oder eine größere Geschwäßigkeit zu Gebote steht, über seine Rivalen einen Triumph zu erlangen.
[Notes for §63 here]
§64 Mit einem Wort! es sind eine solche Menge von Ursachen vorhanden, die Unzufriedenheit der arbeitenden Classe zu steigern, daß es mir für diese Blätter unmöglich wird, alle, die ich aus Erfahrung kennen gelernt und die ich als positive Einwirkung auf die Vernichtung des allgemeinen Wohlstandes aufstellen kann, anzuführen.
[Notes for §64 here]
§65 Die Menschen verfallen in Extreme. Der eine tanzt, der andere spielt, der dritte säuft, der vierte hurt c. Ein jeder Schwindler, ein jeder Gaudieb nach seiner Art. In dieser socialen Misere wird Schnaps eine wahre Wollust. Wenn aber die Menschen auf diesen Standpunkt von Cultur gelangt sind, dann kommen die Moralisten und sprechen das Verdammungsurtheil über die ganze Sippschaft aus.
[Notes for §65 here]
§66 Ueber Spiel, Tanz, Speculation und alle diese Leidenschaften, welche sich des unglücklichen Volkes nach bittern Erfahrungen bemächtigt haben, entwirft Herr Doctor Wöniger ein wirklich schwarzes Gemälde. Jedes Vergnügen, welches sich fortan alle Besitzlosen erlauben, enthält ein schädliches Element und fördert des Volkes Verzweiflung.
[Notes for §66 here]
§67 Uebrigens nimmt dieser Herr sich sehr in Acht, in diesen Ausgeburten, welche in der Classe selbstverschuldeter Armuth angebracht sind, eine selbsteigene Meinung auszusprechen, denn ich finde, daß ganz andere Autoritäten, wie Luther und Locke zu Hülfe gerufen werden müssen, um die Ansicht des geehrten Herrn zu bestätigen, daß die ganze Kategorie in die Classe der selbstverschuldeten Armuth gehöre.
[Notes for §67 here]
§68 Nach vorliegender Schrift hat schon Luther über den Saufteufel geklagt, welcher in Deutschland umhergehe, und suche, wen er verschlinge. Darauf sagt Herr Wöniger, „gegenwärtig könnte man von Legionen Saufteufeln reden.“ Endlich hat der geehrte Herr sich mehr als einmal überzeugt, „daß es keine besuchteren Orte giebt als etwa die Weinstuben am Rhein, die Bierkeller in Bayern und die Liqueurläden in Preußen.“
[Notes for §68 here]
§69 Die moralische Schlußfolge des Herrn Dr. Wöniger auf diese Betrachtung ist: „Zeit ist die erste Bedingung der Arbeit; — Arbeit ist Reichthum: welche ungeheure Verarmung muß nicht entstehen, wenn man nur die verlorene Muße der Zechgelage veranschlagt! &c.“ Im Königreich Hannover sollen jährlich 90 Tausend Oxhoft Schnaps fabricirt werden, welcher 1 ½ Million Thaler kostet, und welcher in Hannover fast allein verzehrt wird.
[Notes for §69 here]
§70 Immerhin! die dortige Verwaltung wird sich dabei gewiß besser befinden, als wenn die Leute sich an das nüchterne Getränk des Wassers gewöhnt hätten.
[Notes for §70 here]
§71 Ueberhaupt hätte ich bei solchen Beobachtungen an Herrn Wönigers Stelle die Leute gleich gefragt, warum sie nicht arbeiteten und ihre Zeit in den Schnapsläden zubrächten. Möglich, daß ihm einer oder der andere von diesen Ehrenmännern zur Antwort gegeben hätte, wie jener Spizbube in einer neu erschienenen Berliner Novelle. „Herr! die Arbeit, die ich machen will, kriege ich nicht: und die ich kriegen kann, die will ich nicht.“ —
[Notes for §71 here]
§72 Ehe man über das Treiben solcher Leute urtheilt, ist es immer besser, man sucht sich über die Veranlassung ihres Treibens zu unterrichten, denn in dieser Veranlassung liegen meines Erachtens auch die Gründe ihres Handelns.
[Notes for §72 here]
§73 Klagt ein verunglückter Geschäftsmann einem reichen Nachbar seine Noth, so erhält er in der Regel zur Antwort: „Guter Freund! es ist heutiges Tages auf dem gewöhnlichen Wege nichts mehr zu verdienen, man muß speculiren, raffiniren u. s. w.“ das heißt auf deutsch: man soll seinen Nebenmenschen übervortheilen, betrügen.
[Notes for §73 here]
§74 Es streitet anfangs gegen das Ehrgefühl der gestürzten Classe, von den wohlgemeinten Rathschlägen ihrer guten Freunde, welche noch alle Tage ein regelmäßiges Mittagsessen zu sich nehmen und nach diesem ihr Schläfchen halten können, Gebrauch zu machen.
[Notes for §74 here]
§75 Auch findet sich nicht immer gleich eine Gelegenheit, ein indirektes Attentat auf den Mehrbesitz eines besser Gestellten zu unternehmen. Die Noth zwingt aber einmal zu handeln, der Verstand wird durch allerlei wagehalsige Speculationen geschärft, und so finden wir denn am Ende, daß ein Mann, dessen Wille sich anfangs gegen eine Laufbahn sträubte, welche alle seine idealen Vorstellungen über Gott und Welt aufhob, vermöge seiner Pfiffigkeit den klugen Rathgeber übertölpelt und ihn nach unserm gemeinlichen Localausdruck „nackt und blos auf die Straße setzt.“ Dergleichen Fälle kommen nicht etwa im Einzelnen zum Vorschein, es würden sich ihrer schon in Berlin genug aufzählen lassen, um ein ganz anständiges Register damit anzufertigen.
[Notes for §75 here]
§76 Wir nehmen den ersten besten Handwerker, der das, was er gelernt hat, versteht und selbst als mechanischer Künstler gelten kann, für eine höchst abentheuerliche Laufbahn als Modell. Mit einem mäßigen Betriebscapital soll ein Geschäft eingerichtet und wo möglich auch gleich geheirathet werden. Solche Leute glauben, daß sie in ihrem Wirkungskreis noch eine Lücke ausfüllen können. Sie wissen, oder müssen es recht wohl wissen, daß es von ihren Concurrenten eine Menge giebt, denen es an technischer Geschicklichkeit nicht fehlt, die aber dennoch in Elend leben. Allein solche Beispiele schrecken den Neuling nicht ab, denn er weiß sich das Unglück seiner Collegen nicht anders zu enträthseln, als daß sie durch ihre Nachlässigkeit dahin gelangt wären. Bald jedoch wird sich zeigen, was aus ihm dem Anfänger wird, wenn er nicht als ein verschlagner Piffikus mit den Maximen der Neuzeit fertig zu werden weiß.
[Notes for §76 here]
§77 Die Arbeit läuft ihm, mit dem gewöhnlichen Volksausdruck zu reden, nicht ins Haus, er muß sie sich erbetteln. Erlangt nun der gute Mann durch vieles tiefgebeugte Schwätzen von den Consumenten oder Fabrikanten wirklich Beschäftigung, dann muß er sich Bedingungen gefallen lassen, welche geeignet sind, den jungen Staatsbürger zu dem ersten Gang in einen Schnapsladen zu verleiten. Unter allerlei unnützen Versuchen, die Balance zu behalten, nehmen die Mittel ein Ende, alsdann ist der sich Kraftbewußte Neuling auf demselben Fleck, wie seine Collegen, auf deren Nachlässigkeit er selbst die Schuld ihres Unglücks schob.
[Notes for §77 here]
§78 In diesen verzweifelten Zuständen genießen noch alle junge Männer, welche die Vorsicht gebrauchen, nicht zu heirathen, den meisten Vortheil. Natürlich ist es immer besser allein zu hungern als Frau und Kinder noch mit leiden zu sehen. Wer aber wird in einer Junggesellen-Republik eine Grundlage zu einer neuen Staatstheorie entdecken wollen, da der eigentliche Zweck des Lebens verfehlt ist. Die Spartanische Gesetzgebung schied jeden Junggesellen oder Hagestolz aus der Gemeine und verweigerte ihm das Bürgerrecht. Die neuen Bürger wollen keine Opposition gegen die Naturgesetze bilden, sie werden aber durch ihre Vorstellung, der Nothwendigkeit ein Opfer bringen zu müssen, welches unter günstigern Umständen nicht gebracht würde, große Kleinigkeitskrämer, welche dem Gesammtinteresse keine besonderen Dienste leisten können.
[Notes for §78 here]
§79 Daß der allgemeine Nothstand in dem Familienglück der Bürger eine totale Zerstörung hervorgebracht hat, ist zu natürlich, als daß ich mich veranlaßt finden sollte, in diesen Blättern auf einzelne Schilderungen von Vorfällen einzugehen. Wer die innern Verhältnisse der Handel und Gewerbetreibenden Bürgerklasse nicht genauer kennt, der stellt die Frage, „ob hier die Noth eigentlich ihren Sitz aufgeschlagen hat“ noch sehr in Zweifel, denn ein jeder ist gewohnt, diese Leute nach ihrer äußerlichen Erscheinung zu taxiren, wo denn gemeinlich beobachtet wird, daß die Handwerker noch so ziemlich in der Kleidung einhergehen. Das aber wird nicht berücksichtigt, daß derjenige, der seinen guten Rock mehr auf dem Leibe trägt, auch die Gunst der öffentlichen Meinung verloren hat.
[Notes for §79 here]
§80 Lassen wir das gut sein! einen schlechten Rock zu tragen, ist noch lange keine Schande. Ein anderer Punkt ist es, der hier nicht unerwähnt bleiben darf. Und dieser ist: wenn eine Familie außer Stand gesezt ist, sich ihrem Beruf gemäß zu ernähren, so werden ihr die unvernünftigsten Zumuthungen gemacht, sich, wie man sich gewöhnlich ausdrückt, auf eine andere Weise zu ernähren. Diese andere Weise ist erstens nicht leicht gefunden, und zweitens sind die Vorschläge oft solcher Natur, daß ein Mann, der auf das was er gelernt hat in seinem Unglück immer noch stolz sein darf, Bedenken tragen kann, auf dieselben sich geradeweg einzulassen.
[Notes for §80 here]
§81 Man vergist ganz, daß die Erziehung eines solchen Menschen Geld und Zeit gekostet hat, und daß dem praktischen Handwerker das, was er gelernt hat, lieb und werth ist. Es findet derselbe es schon unter seiner Würde, die Erzeugnisse seiner Thatkraft für einen Bagatell-Lohn zu verschleudern, wie viel mehr muß nicht sein Ehrgefühl verletzt werden, wenn ihm die Proposition gestellt wird, durch Holz- oder Steinkarren eine elendige Existenz zu fristen. Daß dies geschieht, wo bei dem Ueberfluß an Menschen auf diese kein Werth mehr gelegt wird, wird mir niemand als eine Lüge nachweisen wollen.
[Notes for §81 here]
§82 Ich aber will bei diesen schwankenden Verhältnissen jedem guten Freund, sei er Staatsbeamter oder Rentier den Rath geben, jeden legitimirten Städtebürger mit Anträgen zu verschonen, zu deren Ausführung sich solche Philosophen, welche dergleichen Propositionen stellen, am besten passen würden. Die Civilisation hat bereits sehr viel gethan: es mag ihr überlassen bleiben, auch noch diese Differenz auszugleichen.
[Notes for §82 here]
§83 Ich habe hier bei dem bürgerlichen Geschäftsgange über einige directe Umstände geredet, welche gegen das Gemeinwohl dieser Klasse in eine offene Feindschaft getreten sind. Ich weiß es wohl, es wird lange dauern, ehe man sich mit dem Gedanken verständigen wird, daß die Menschen in ihren gesellschaftlichen Verhältnissen oft das wenigste von dem, was ihnen gerade für ihre Lage gut und passend scheint, in Ausführung bringen dürfen. Betrachtet die Sache, wie ihr wollt, ihr Philosophen, drückt selbst dem Kind in der Wiege das Verbrechen, welches es später an sich selbst oder den Nebenmenschen begehen wird, auf die Stirn, laßt es in Noth und Elend zur Welt kommen, laßt es in Noth und Elend heranwachsen, und ihr werdet sehen, daß ihr einen natürlichen Feind gegen den Uebermuth des Reichthums ohne sein Verschulden mehr habt.
[Notes for §83 here]
§84 Bis dahin, wo sich der Bettler noch nicht die bestimmte Frage aufwerfen konnte, ob er in Noth seine ganze Lebenszeit hinbringen sollte, weil er zufällig in Noth geboren sey, da war es keine Kunst, die Stände zu sondern und ihnen einen bestimmten Wirkungskreis anzuweisen; jezt aber hat man es nicht mehr mit einem unwissenden, sondern mit einem vornehmen Pöbel zu thun, welcher auf eine reelle Existenz bestimmte Ansprüche macht; warum: weil er ein eiliges theoretisches Gesetzgeben nach gewissen allgemeinen Begriffen ohne Rücksicht auf das besonderste Bedürfniß und den eigenthümlichen Zustand der Gesellschaft nicht anerkennen will.
[Notes for §84 here]
§85 Was ich über das Gewerbegeseß, über die Form dieses Gesezes und über bürgerliche Selbstständigkeit gesagt habe, das glaube ich, wird beiläufig genug seyn, um nicht einen einzigen, der von der Zugänglichkeit dieses Gesezes Gebrauch macht, des Leichtsinns anzuklagen. Die meisten jungen Handwerker, welche einen eigenen Heerd in der bürgerlichen Gesellschaft gründen wollen, haben von dieser Einrichtung keine so hohe Meinung, als daß sie sich nicht die Gefahren lebendig vorstellen sollten, welche ihnen in ihrem neuen Wirkungskreise begegnen müssen.
[Notes for §85 here]
§86 Was aber sollen sie thun! es ist einmal ihr Beruf, und wenn sie darnach streben, ihn zu erfüllen, wird hoffentlich kein Publicist, besonders wenn er in sicherm Gehalt steht, an den Bestrebungen der jungen Bürger ein Aergerniß nehmen, überhaupt da die Sache den Leuten so leicht gemacht ist.
[Notes for §86 here]
§87 Wir kehren hier zu der Schrift des Herrn Wöniger zurück und sehen, was noch für Zeichen selbstverschuldeter Armuth vorhanden sind, welche gleichsam als Ursachen die gegenwärtige Volksnoth so furchtbar fördern
[Notes for §87 here]
§88 Ja, es ist das eheliche Verhältniß die Kinderzucht mit dem Verhältniß der Dienstboten zu ihren Herrschaften. Ueberall Gewissens- und Vertrauenslosigkeit, Unzucht und Sclaverei. Auch sind die Folgen des Tanzes, des Gebrauchs der Leihbibliotheken, der Bänkelsängereien, u. dgl. m. nicht vergessen. — Im Ganzen ein brutaler Zustand. —
[Notes for §88 here]
§89 Ich setze voraus, daß die meisten, welche Herrn Wönigers Schrift gelesen haben, zu der Klasse gehören, die heute wissen, wovon sie morgen leben sollen; deßhalb zweifele ich nicht, daß alle diese Leute mit des Verfassers Ansicht über das Treiben des Volkes vollkommen einverstanden sind. Nehmlich das Volk taugt nichts! es ist an seinem Unglück selbst schuld. —
[Notes for §89 here]
§90 Gewiß! ich habe mir das Gemälde des Herrn Dr. Wöniger über die Sittlichkeit der Menschen in dieser Zeit mit Aufmerksamkeit betrachtet. Man beobachtet Menschen und moderne Lustbarkeiten im Uebermaaß... könnte der Natur in einer Sache nur zehn Jahre Stillstand geboten werden, dann würde kein vornehmer Herr mehr genöthigt seyn, als Sittenrichter einen Mißbrauch gegen seine Stellung zu begehen; einen Mißbrauch dadurch, daß er einer armen Familie, welche Trost und Unterstüßung erwartet, anstatt Geld die Kinder aufzählt. —
[Notes for §90 here]
§91 Ich wundere mich selbst, wenn, wie ich in Herrn Wönigers Schrift lese, im Monat Mai vergangenen Jahres in Berlin 200 uneheliche Kinder zur Welt gekommen sind, die alle von den Tanzböden herstammen sollen, daß immer wieder welche da sind, die forttanzen; überhaupt ist der Staat, den die Mütter dieser Kinder auf den Tanzböden machen, oft so groß, daß eine Beschreibung davon kein Edelmann glauben würde, wenn er sich nicht mit eigenen Augen überzeugte. — Es scheint beinahe so, als ob der Teufel unter die Mädels gefahren ist..... Die jungen Männer legen sich die abentheuerliche Frage vor; wo sie unter bewandten Umständen noch eine ordentliche Frau hernehmen sollen. Leicht mag es nicht seyn, eine solche zu kriegen. Uebrigens wird diese kleine Bedenklichkeit auch noch bei Seite geschoben, wenn die junge Dame mit dem Kinde oder ohne das Kind nur Geld hat. Es ist für das Ganze eine brutale Geschichte, daß das Geld der Hauptgötze geworden ist und daß dieses Geld auf dem alten ehrlichen Wege nicht mehr zu verdienen ist. Wenn das noch wäre, dann möchte ich die Meinung des ganzen vorigen Jahrhunderts als Zeuge auffordern, ob man wohl bei dem selbstthätigen deutschen Volke Ursache hätte, über selbstverschuldete Noth und Sittenlosigkeit zu klagen. Nun aber, da der Egoismus mit dem Gelde so gewirthschaftet hat, daß der ganze Mittelstand vernichtet und an den Bettelstab gelangt ist, weiß man sich nicht besser zu helfen, als die Schuld von des Volkes Verzweiflung auf dessen Leichtsinn zu schieben, sind sogar die Leihbibliotheken und Liebhabertheater die Pestbeulen des bürgerlichen Wohlstandes geworden. Bücherlesen und Schnapstrinken ist noch kein Grund der Verarmung. Das Beispiel aber, was die Selbstsucht zu geben weiß, das ewige Reden von Solidität und dabei doch so rücksichtslos und erbärmlich handeln, daß selbst dem Dümmsten, welcher über das allgemeine Interesse nicht zu politiren weiß, endlich die Augen aufgehen, daß selbst, sage ich, der Dümmste sich die Frage vorlegt, ob es mit rechten Dingen zugeht, daß der eine Alles hat und der andere gar nichts, daß der eine schwelgt und der andere verhungert, darüber eilt man bei einer Untersuchung über die Gräuel der Armuth schnell hinweg.
[Notes for §91 here]
§92 Jeder, der Geld hat, sucht den Mittellosen zu überreden, daß die Sache so seyn müsse, die Bestimmung von Arm und Reich läge in der Weltordnung u. f. w. Mehr aber als diese weltlichen Geseße nachweisen, „daß der Mittellose überhaupt noch froh seyn müsse, im Staate geschützt zu werden“, macht man religiöse Versuche, das Volk in dem Glauben an den Unterschied der Stände zu erhalten und zu befördern. Finstere Vorstellungen von ewiger Verdammniß sollen die Gemüther, welche sich an den Gedanken wagen, daß sie dasselbe Recht zu leben haben, als jene, die im Besiß der eigentlichen Gottheit dem Gelde schwelgen, erschüttern. Die Dogmen, Gott sieht — Gott hört — Gott weiß — und Gott straft — werden mit Fanatismus über die fündigen Häupter der Unglücklichen geschleudert. Aber ich sage euch: je mehr daß ihr eifert, je weniger werdet ihr bezwecken, wenn erst den Menschen das Brod vom Tische genommen ist, dann hören alle Vorträge auf, und der Versuch, die Vernunft, das heißt „die Erkenntniß der Menschenwürde“ zu bekehren, ist eine vergebliche Mühe.
[Notes for §92 here]
§93 Fortwährende Täuschung bringt die meiste Gefahr. Auch Herr Wöniger sucht sich, wie alle, welche das Steigen civilisirter Begriffe nur oberflächlich betrachten, zu überreden, daß der brutale Stolz, die Hoffahrt der sogenannten vornehmen Welt, der eigentliche Magnetismus zu des Pöbels Nacheiferung sey.
[Notes for §93 here]
§94 Schöne Kleider zu tragen, wurde bei der arbeitenden Classe, welche vermöge ihres Geschäftsbetriebs mit dem Geburts- und dem Geldadel in nähere Berührung kam, ein Gesetz der Nothwendigkeit. Der Handwerker, dessen Rock nicht nach der neuesten Mode gemacht und nicht wenigstens mit Seide gefüttert ist, kann mit wenigen Ausnahmen nicht darauf rechnen, von dem gnädigen Herrn oder der gnädigen Frau gnädig aufgenommen zu werden; überhaupt muß er, wenn der Rock nicht ganz nach der Modé gemacht ist, gewärtig seyn, wenigstens um zehn Procent schlechtere Geschäfte zu machen.
[Notes for §94 here]
§95 Noch schlimmer ergeht es den armen Mädchen oder den armen Frauen, wenn sie nicht ganz vorzüglich nobel angekleidet sind, wenn sie nicht wenigstens einen Fezen um sich hängen haben, dessen Geburtsort Kaschemir oder meinetwegen Cochinchina ist; sonst steht sehr leicht zu erwarten, von der hochedlen Dame abgewiesen oder doch sehr schnöde behandelt zu werden.
[Notes for §95 here]
§96 Alle, die ihre Blöße nicht mehr mit guten Kleidern bedecken können, werden nicht gehört. Die Sippschaft taugt nichts — sie ist liederlich — faul — &c. Denn wenn das Volk arbeiten wollte und mit seinem Verdienst sparsamer umginge, dann wäre es nicht möglich, in einen solchen elenden Zustand zu gerathen. Unter diesen heillosen Mißgriffen, welche den innern Werth des Menschen zu einer Zielscheibe des Spottes sich genommen haben, muß jeder ehrliche Mann auf seine Rettung bedacht sein. Er muß den Maaßstab des alten deutschen Biedersinns von sich werfen, um sich einer künstlichen Schlauheit zu bemächtigen, welche im gemeinschaftlichen Beisammenleben das Wort „Vertrauen“ nur noch als einen Geist längst verschollener Zeiten anruft, in welchem dieses Wort durch die That eine hohe Berühmtheit erlangte. Noch jezt, wo die Speculationssucht die Ehre anrüchig gemacht hat, bedient man sich bei jedem Abschluß eines Geschäfts der Form, „ich kann mich doch darauf verlassen.“ Sehr wohl — Sie haben mein völliges Vertrauen. Wort und Hand gut. Jezt geht die Sache vorwärts. Da es jedoch nicht mehr Mode ist, auf ein Wort zu glauben, so beobachtet der Weltbürger den Gang des Prozesses, (denn ein Prozeß ist schon positiv durch den Vertrag der Parteien gegeben) mit dem größten Interesse, indem man ihm vergönnt, über die oft tölpelhafte Führung der Streitigkeiten seine Bemerkungen zu machen. Man klagt sich gegenseitig des Verrathes und der Treulosigkeit an. Das Merkwürdigste bei der Sache ist, daß diese Geschichten alle Tage vorkommen und dennoch weiß sich Niemand Rechenschaft zu geben, von wo diese Vertrauenslosigkeit, dieser Schwindelgeist herrührt.
[Notes for §96 here]
§97 Natürlich kommt derjenige, der immer noch eine gewisse Scheu vor indirektem Diebstahle hat, bei dem Handel am schlimmsten weg. Denn der wirkliche Gauner versteht nichts besser, als das Materielle von dem Ideellen zu sondern. Jedes Mittel, welches ihm Vortheil bringt, hält er für erlaubt. Er denkt gar nicht daran, daß der Jesuiter-Grundsatz seiner Seele Schaden zufügen könne.
[Notes for §97 here]
§98 So sind die Zeiten in Deutschland geworden. Wenn nun das Gewissen als ein Wechselbalg der Mode hingestellt ist: wie viel weniger kömmt alsdann auf die Kleidermode an.
[Notes for §98 here]
§99 Man lebt ja doch nur einmal, sagt das Volk: Und wenn die Wahrheit gesagt werden soll, so verdenkt es, ihr Publicisten, ihr Moralisten, ihr Sittenlehrer den Leuten nicht, wenn sie nach solchen Ansichten, solchen Grundsätzen leben wollen. Denn ihr, die ihr eure Hauptwünsche erfüllt seht, ihr versteht das gelehrige Volk, welches dergleichen Ansichten nicht aus der Luft gegriffen, erstens nicht: und zweitens wird man sich wohl besinnen können, mit welcher Manier gewisse Sittenlehrer von den armen Kindern den Lohn für ihre Mühe forderten. O ja! solche Dinge müssen endlich dem Selbstbewußtsein die förderlichsten Dienste leisten.
[Notes for §99 here]
§100 Nun endlich wird über Impietät und moralische Gefeßlosigkeit in allen Verhältnissen des gemeinschaftlichen Zusammenlebens geklagt. Es heißt, die Kinder gehorchen den Aeltern nicht, und die Aeltern geben den Kindern schlechte Beispiele. Bei dem deutschen Volke ist weder der Leichtsinn noch Faulheit, welche Untugenden doch die eigentliche Grundlage moralischer Gesezlosigkeit seyn sollen, das Lebenselement gewesen. Wenn aber den Kindern in den letzten Religionsstunden durch materielle Maximen der Unterschied der Stände beigebracht und zwar sehr deutlich den Bemittelten der Vorzug in der staatsbürgerlichen Gesellschaft eingeräumt wird, da ist es wohl kein Wunder, wenn der Unbemittelte auch seines Vortheils gedenken lernt, um sich später in der rein sinnlichen Welt durch seine äußere Erscheinung eine Stellung zu verschaffen. Wahrlich aus allen diesen Conflicten des Materialismus ist eine Sorte Menschen zusammengebacken, von welchen, geradezu gesagt, kein Teufel wüßte was er mit ihnen anfangen sollte. Ich suche diese Sorte weder unter den Dieben noch Mördern. Nein! sie gehen frei und unangefochten durch die Welt, sie sind die Muster der modernen Tugend und Ehre geworden.
[Notes for §100 here]
§101 Impietät herrscht in den Familien; Impietät zwischen Dienstboten und Herrschaften. Wenn wir jedoch über die materielle Existenz der erstern Classe reden wollen, so ist ihr Loos gegen das der selbständigen Bürgerklasse, welche sich durch einen Handel oder Gewerbe ernähren will, noch lange nicht so schlimm, wie es von Weitem aussieht. Ihre abhängige Stellung wird ihnen zuweilen durch eine böse Hausfrau freilich noch drückender gemacht: das meiste, worüber diese Leute klagen können, ist — daß ihre Zunft durch die Söldlinge der Industrie einen sehr bedeutenden Zuwachs erhält, welche leßtern mit Hausknechten sehr bald auf einem freundschaftlichen Fuße stehen. Denn in unsern großen luxuriösen Städten ist es eine ausgemachte Thatsache geworden, daß ein Hausknecht eher in den Besiß eines unbeweglichen Eigenthums gelangt, als der besteuerte Handwerker oder Kaufmann.
[Notes for §101 here]
§102 Zwei Dinge sind es, auf welche der Mensch mit seiner selbstverschuldeten Armuth in Herrn Wönigers Staatssystem gestellt und in seiner Wirksamkeit als Mensch zu seinen Mitmenschen beobachtet wird.
[Notes for §102 here]
§103 „Die Gründe der selbstverschuldeten Armuth sind auf dem Felde des öffentlichen wie des Privatlebens zu erforschen; es sind die beiden Tummelplätze, auf welchen sich der freie Wille des Individuums bewegt. Hier aber sind die allgemeinen und die besondern Seiten zu trennen, unter welchen letztern Ausdrücken nämlich die Scheidung zwischen den obschwebenden Ideen und Tendenzen der Zeit, und den Neigungen der Menschen wie sie sich auf Grund jener Neigungen und Richtungen consolidiren verstanden werden sollen.“
[Notes for §103 here]
§104 Nun heißt es weiter!
[Notes for §104 here]
§105 „Das erste ist ein Abstraktum, etwas Unsichtbares, gleichsam in der Luft schwebendes. Das andere ein Concretum, etwas Sichtbares, Körperliches in der Persönlichkeit ausgeprägtes.“
[Notes for §105 here]
§106 Also, auf den Tummelplätzen des öffentlichen und Privatlebens bewegt sich der freie Wille des Individuums.
[Notes for §106 here]
§107 Wie weit jedoch auf diesen Tummelplätzen der freie Wille und die Neigung des Individuums gehen darf, wird nicht weiter gesagt. Könnte der Mensch alle seine Neigungen und Wünsche befriedigen, dann möchte dem Publikum in Herrn Wönigers Schrift über die Gründe selbstverschuldeter, und unverschuldeter Armuth, ein „völlig abgeschloßnes, abgerundetes Ganzes“ vorgelegt worden seyn. Herr Wöniger hat vielleicht gerade, wie er den Menschen mit freien Willen in die Welt setzte, Hobbes' Geschichte über die Erzväter gelesen, oder wie sich nach Byrons Gesicht der Engel Gabriel mit Noahs Töchterlein Sillah aus freyem Antriebe vermählte. —
[Notes for §107 here]
§108 Es wird §. 5. mit der Ueberschrift, „Der Charakter des modernen häuslichen Lebens“ erstes Capitel — allgemeine Färbungen, ..... eine Genealogie der menschlichen Tugenden aufgenommen, welche in vier verschiednen Hauptepochen der Geschichte aufgestellt ist.
[Notes for §108 here]
§109 Diese Epochen sind: das Patriarchal-wesen, die Gentilität, das Feudalsystem und die Negativität.
[Notes for §109 here]
§110 Die letztere — die Negativität — bildet den Charakter der Gegenwart. Das heißt so viel, als „jede bestimmte Frage, ob noch gute Sitten frommer Wandel, Glaube u. s. w. existirt, muß verneinend beantwortet werden:“ es ist eine völlige Lockerung der Verwandtschaftsbande, Impietät, Egoismus und Mißtrauen entstanden.
[Notes for §110 here]
§111 Das wäre alles, was ein Mann sagen kann, der selbst mit dem Reichthum des Herzogs von Buccleugh die christliche Barmherzigkeit um Gnade für seinen nothleidenden Bruder anflehen würde, um doch wenigstens einmal ein Erempel eines freien Willens zu statuiren. — Der freie Wille ist wohl ein unbestrittenes Eigenthum des Menschen, aber die Ausführung des freien Willens ist durchaus etwas ganz anderes. Wenn die Ausführung des freien Willens in einer Zeit der Weltgeschichte leichter gewesen ist, dann will ich es recht gern glauben, selbst wenn Noah der einzige gewesen sein sollte, der machen konnte was er wollte. —
[Notes for §111 here]
§112 Wenn ich aber in der vierten Periode: d. h. in der Periode der Negativität oder der weltgeschichtlichen Krisis noch einen andern freien Willen als den, der sich selbst auf den bloßen Gedanken des freien Willens reduzirt oder, was noch mehr sagen will, reducirt wird, für bestimmt annehme, und in dem Bestreben der Völker für ihre Glückseligkeit feststelle, dann mache ich mir von den gegenwärtigen Verhältnissen und der Sache selbst, welche ich zum Gegenstand meiner Untersuchung gewählt habe, eine sehr falsche Vorstellung.
[Notes for §112 here]
§113 Ich glaube, ich habe zur Genüge dargethan, daß die Menschen nicht machen können was sie wollen, wenn also in Herrn Wönigers Schrift der Herrschaft des Willens keine Grenzen gesezt sind, so ist diesem Herrn der Mensch und seine Handlungen ein bloßes Motiv philosophischer Betrachtung, welches sich im praktischen Leben nicht verwenden läßt. Hier ist der Mensch etwas anderes, als wozu ihn ein theoretischer Begriff macht. Die Geschichte beweist, daß das deutsche Volk bis jezt noch nicht selbstständig und mit Bewußtseyn seine politischen und gesellschaftlichen Schicksale bereitet hat. Wenn man nun also dem Deutschen als Mitglied eines Volks, und als Hausvater einen Vorwurf macht, wenn man sagt: daß die alte deutsche Gesinnung verloren gegangen sey, so muß man doch vor allem die Geschichte befragen, man darf nicht den einzelnen Menschen, wie er heute ist, so oben hin vornehmen, und wegen seiner Leidenschaften, seiner Zustände tadeln: man darf, sage ich, dies nicht unter der Vorausseßung, daß der heutige Mensch seinen freien Willen habe, das heißt: daß die Art seines Wollens seine eigne Schöpfung sei.
[Notes for §113 here]
§114 Hat dieser Wille eine gefährliche Richtung genommen, dann ist er nicht sicher geleitet von sich selbst hing er bis auf die Zeit, wo ein paar, Menschen den Erdboden bewohnt haben können, nie ab. Wie kann ich also die Freiheit des Menschen feststellen, wo sie nicht bewiesen werden kann, da wo der Mensch nur unter Vormundschaft steht, wo selbst der Gedanke, der mir meine ganze Glückseligkeit bringen kann, vor lauter Umständen und Widerstand ein bloßer Gedanke bleibt. Auf diesen unsichern Grund sollte doch kein Gelehrter, kein Doctor der Philosophie und beider Rechte die Bausteine zu seinem Gebäude schleppen. Es fällt ein, es ist schade um die ganze Arbeit.
[Notes for §114 here]
§115 O über das ewige Reden und keine Gedanken, das bringt uns alle noch zur Verzweiflung. Früher habe ich wirklich geglaubt, die liberalen Politiker das wären Kernmenschen mit gesunden Ansichten und festen Grundsäßen. Nun aber sehe ich ein, daß diese das Staatsschiff, wenn es schwankt und von den Wellen empörter Leidenschaften geschleudert wird, niemals vom Untergange zu retten vermöchten. Das merkwürdigste ist, daß diese Leute sich immer mit dem Gedanken an eine durchgreifende Reform der bestehenden Geseßgebung herumschleppen: daß sie von Constitution und Oeffentlichkeit reden, von Heil und Segen der Constitutionen, ohne davon eine Ueberzeugung erlangt zu haben. Sie wissen nicht, unter welchen Umständen allein ein öffentliches Leben möglich ist, sie wissen auch nicht, aus welchem Princip der Gedanke der Constitution hervorgeht und wohin er consequenterweise führen muß. Constitution, Deffentlichkeit sind ihnen Schemata, mit denen sie ihre Furcht vor der Gründlichkeit verbergen.
[Notes for §115 here]
§116 Wenn aber die Liberalen ihre Bestrebungen bei ihrem projektirten Machwerk von Constitution nicht weiter führen können, als wie Herr Wöniger mit seiner Untersuchung über die Gründe der Volksnoth gelangt ist, dann möge es uns, die wir uns in der That die Frage vorlegen, ob diese Herren wohl verstehen, was eine Constitution bedeutet, vergönnt sein, abermals an Handlungen für der Völker Glückseligkeit zu zweifeln; dann wird uns der ganz einfache logische Satz: daß die Sache ihren Gang gehen muß, um durch sich selbst die höhere Vollendung des Menschengeschlechts zu erzielen, als ein erobertes Eigenthum unserer Forschungen unbenommen bleiben. Wir sind nun einmal nicht geneigt, unser und des Volkes Schicksal unmündigen Gedanken preiszugeben. Wir sehen, daß derjenige, welcher von einer praktischern Noth heimgesucht ist, als nicht an der Geseßgebung theilnehmen zu können, von den Redensarten der Liberalen, von ihrer Repräsentantenwürde, ebensowenig seinen Hunger wird stillen können, als jezt, wo man der Centralregierung zur Last legt, daß sie des Volkes Wohlfahrt nicht genug Aufmerksamkeit erwiesen habe.
[Notes for §116 here]
§117 Wenn ich in meiner Betrachtung über die Ursachen der gegenwärtigen Volksnoth, über spießbürgerliche Beschränktheit hinausgegangen bin, dann bin ich weit entfernt, eine Ansicht oder eine politische Meinung, welche nicht all und jeder Künstler, jeder Marktschreier mit den Werkzeugen seines Verstandes fabricirt, für etwas Außerordentliches zu halten. Denn jeder vernünftige Mensch soll wissen, was er in der Welt zu thun hat, und auf den Gang der Sache, auf welchem sein Wohl und sein Wehe zu Tage gefördert wird, seine Aufmerksamkeit zu richten suchen.
[Notes for §117 here]
§118 Besonders merkwürdig erscheint mir die Methode, welche die Wissenschaft bei der Stellung des Menschen in staatlichen Verhältnissen gebraucht, indem sie ihm bei seinem beschränkten Dasein und Wirkungskreise ein freies Feld für seinen Willen und seine Thaten giebt. Wie die Kritik mit einer so unreifen Frucht der Speculation ihre Gedanken realistiren will, wäre schwer zu begreifen, wenn nicht die ganze Generation durch den Geist der Speculation erfaßt und von ihr völlig abhängig geworden wäre.
[Notes for §118 here]
§119 Die Classe, von der hier die Rede ist, besitzt nichts als den Willen zur vernünftigen Handlung. Die Ausführung des Willens wird mehr oder weniger durch die Verhältnisse, worin sie lebt, begränzt oder unausführbar gemacht, je nachdem sie im Besitz von Hülfsmitteln sich befindet, um für ihr materielles Wohl handeln zu können. Es hat also der Kritiker nichts weiter zu thun, als alle Wechselfälle, welche diese Classe betrifft, von dem materiellen Standpunkt, worauf sie gestellt wurde, zu beobachten. Hier findet er jede persönliche Freiheit in der Handlung beschränkt. Niemand außer dem Souverain, außer dem König kann machen was er will. Hier ist es die Erziehung, welche dem Menschen seine Stellung in der bürgerlichen Gesellschaft anweist, welche ihn lehrt, was er politisch und religiös zu glauben hat, hier ist jede persönliche Freiheit durch eine Form, sei sie eine conventionelle oder Gesezesform, begränzt. Hier ist zu untersuchen, wie weit die Freiheit zu handeln dem Menschen gestattet ist; was ihm für Mittel geboten sind, von dieser Freiheit Gebrauch zu machen, und ob er durch diese Mittel auf einem ehrenvollen Wege sein Wohl und das allgemeine Wohl mit bestellen kann.
[Notes for §119 here]
§120 Diese Fragen sind auf ein Fundament gestellt, auf welchem sich niemals eine selbstverschuldete Noth constituiren läßt.
[Notes for §120 here]
§121 Wir betrachten die Sache, wie sie ist und nicht wie sie seyn könnte: Das ist der Unterschied zwischen unserer und der Kritik der Liberalen.
[Notes for §121 here]
§122 Da es uns darauf ankommt, in einer so hochwichtigen Angelegenheit eine Verständigung zu erzielen, so ist es allerdings rathsam, daß ein jeder, welcher das Interesse der ganzen Menschheit theurer hält, als dem elenden Eigennuß einzelner oder einer Faction zu fröhnen, in seiner innern Anschauungswelt einen männlich reifen Verstand gebähren und sich gestalten läßt, ehe er es wagt, sein Scherflein zu der Erkenntniß der Menschenwürde beizutragen.
[Notes for §122 here]
§123 Diese Erkenntniß ging nicht aus den Anstalten hervor, welche zur Erziehung der Menschheit getroffen waren, in ihnen wurde die Fähigkeit eines gesunden Urtheils niedergehalten. Erst die Erfahrung, oder besser die Noth konnte ein selbstständiges Urtheil zur Welt bringen und aus dem Menschen dasjenige machen, was er sein soll.
[Notes for §123 here]
§124 In den Anstalten der Erziehung wird das Interesse der Autoritäten, welche diese getroffen, gelehrt; wir würden nichts gegen diese Lehre einwenden, wenn sie genugsam popular wäre, das Interesse aller zu berücksichtigen und eine strenge Aufmerksamkeit darauf verwendeten, daß dies also geschehe. Wenn nun die Methode, mit welcher man lehrt, ein Tadel trifft, so trifft dieser Tadel nicht die frühere Methode, als in einer Zeit, wo man es nicht besser wußte als daß sie gut war, sondern die jezige, wo man es wissen könnte, daß sie nichts taugt, indem sie eine reine Geldlehre geworden ist.
[Notes for §124 here]
§125 In der guten alten Zeit suchten uns unsere Lehrer durch Bibelsprüche und Lehren der Tugend zu bilden. Das ganze öffentliche Leben hatte schon deshalb den Anstrich der Biederkeit, weil es jeder für einen unpassenden Uebergriff hielt, wenn er den Interessen desselben eine allzugroße Aufmerksamkeit widmete. So erkannten wir in der Religion die alleinige Grundlage eines gesitteten Staatsbürgerthums. Wir sahen so viel ein, daß nicht alle Menschen gleiche Fähigkeiten für das Gute, für das Edle haben konnten, aber wir sahen auch ein, daß die, welche uns bevormundeten, keineswegs zu der Classe gehörten, welche durch lauter materielle Speculationen schlecht geworden waren. Wir sahen das Unvollkommne, dennoch wurde eine gewisse Solidität nicht verkannt, mit welcher man das allgemeine Beste zu bestellen glaubte. Es herrschte Glaube und Vertrauen so weit wie ihn der Geist einer mittelalterlichen Feudalität zuließ. Es erschien uns die Strafe, welche das Geseß an einem Bösewicht vollzog, als eine Handlung der obersten Gerichtigkeit: schon der Gedanke, welcher die Befugniß der richterlichen Gewalt in Zweifel gezogen hätte, wurde von dem großen Haufen als ein Verbrechen gehalten, dessen Verantwortlichkeit wohl wenige auf sich genommen hätten.
[Notes for §125 here]
§126 Als nun die neuere Zeit für das Bestehen des Ganzen materielle Interessen anheischig machte, da mochte man wohl glauben, daß das Volk als der gehorchende Theil immer die weise Mäßigung beobachten würde, wie es bisher gethan, daß es immer an der Unterthanen-Treue festhalten würde. Dies wäre vielleicht auch geschehen, wenn die Vortheile, welche die Civilisation ohne Zweifel auch dem materiellen Wohlstand der Völker geben kann, sich allgemeiner verbreitet hätten, wenn die Civilisation und der materielle Wohlstand nicht ausschließlich geblieben wären, und wenn sich die niedrigsten so wie die höchsten Kreise der Gesellschaft gleich sehr der fortschreitenden Bildung hätten bequemen können.
[Notes for §126 here]
§127 Fernerhin galten nur noch Grundsätze, von welchen man sich Vortheile stiften konnte, und diese wurden von allen denen sehr bald verstanden, welchen die Mittel gegeben waren sich Vortheile zu stiften.
[Notes for §127 here]
§128 Speculation war also der erste Begriff, welchen man aus der Civilisation herausnahm.
[Notes for §128 here]
§129 Wie ich aber schon gesagt habe, so heißt Speculation auf deutsch Uebervortheilen, Betrügen.
[Notes for §129 here]
§130 Als diese Maxime zur Zeit als Prinzip aufgestellt wurde, da konnte man den Begriff der Speculation noch nicht realisiren; man stellte dies Prinzip ohne Bewußtsein, ohne Ahndung seiner Folgen auf. Denn hätte man es mit Bewußtsein gethan; dann hätte man ja auch gewußt, daß man sich gegen die zugleich so sehr zur Schau getragene Religion richte, indem sie zu dem Begriff der Speculation den grellsten Gegensatz liefert.
[Notes for §130 here]
§131 Man hat diese Maxime ohne Bewußtsein eingeführt, oder man hat sie für nothwendig gehalten und aus der Nothwendigkeit eine Tugend zu machen gewußt.
[Notes for §131 here]
§132 Wie dem auch sei, so zeigt die ganze Einrichtung von der Unzulänglichkeit menschlicher Vorstellungen über allgemeines Wohl; denn das Wohl Einzelner ist doch kein reeller Begriff. Ich wüßte nicht, wo man denselben hernehmen sollte weder aus der Schöpfung, noch aus der christlichen Religion.
[Notes for §132 here]
§133 Man hat sich getäuscht, wenn man den Vortheil aller übersehen zu können glaubte: oder man hat sich über den Vortheil getäuscht, welchen man dem Volke zu geben glaubte. Und daß man sich getäuscht hat, das ist das Wahre an der Sache, darauf beruht das ganze Uebel, von welchem hier die Rede ist.
[Notes for §133 here]
§134 Die Täuschung selbst, weil sie auf menschlichem Irrthum beruht, ist noch nicht so schlimm, als die Sicherheit, welcher man sich hingegeben hat, daß das Volk ohne Existenz dasselbe bleiben würde was es immer gewesen ist. Daß das Volk aber nicht bleiben konnte, was es gewesen ist, das konnten die, welche sich selbst täuschten, nicht einsehen. Deßhalb die geringe Aufsicht über des Volkes Bildungsanstalten, denn ich nenne eine Aufsicht, welche durch einen conventionellen Act abgemacht wird, gar keine Aufsicht.
[Notes for §134 here]
§135 Bald riß unter den Lehrern der Kirchen und Schulen die eigentliche Immoralität ein. Wenn auch nicht alle von der Seuche der Habsucht erfaßt wurden, so war es doch nicht anders möglich, als daß das Volk über sie alle ein schlimmes Urtheil fällen lernte, da viele von ihnen, indem sie das Wort des neuen Testamentes lehrten, wo gesagt wird: „es ist leichter, daß ein Kameel durch ein Nadelöhr gehe, als daß ein Reicher ins Reich Gottes komme“ oder „daß die Armen, nur die Armen, das Himmelreich ernten könnten &c.“ da viele von ihnen doch zu sehr durchblicken ließen, daß die Wahrheit dieser Dogmen ihres Herzens Gelüsten selbst feindselig entgegenständen, und ein innerliches Wohlbehagen nicht unterdrücken konnten, doch zum Glück etwas mehr zu besißen, als wie der Herr Jesus besessen hat. Wir können es einem armen Schelm nicht verdenken, welcher den Kindern das Evangelium um einen Spottpreis lehren soll, wenn auch er seine Haut ins Trockene zu bringen sucht - wenn er hört, daß ein viel besser gestellter Seelensorger, einem armen Catechumenen, dessen Mutter kein Geld hat, ihren Fischkessel oder einen silbernen Eßlöffel als Preis für seine Mühe abfordern läßt. Gewöhnlich herrscht während des Examens die Mode, den Kindern von reichen Aeltern eine größere Aufmerksamkeit zu erweisen als den Kindern von Armen. Sie werden wohl auch auf den Sitzbänken von einander gesondert, gleichwie auf den Bildern des jüngsten Gerichts die Böcke von den Schafen gesondert sind.
[Notes for §135 here]
§136 Das Geld hat einen zu hohen Preis, um nicht die innere Seelenruhe, die Weihe der Unsterblichkeit damit abwägen zu müssen. Wundern wir uns daher nicht, wenn einer oder der andere protestantische Prediger kein Kind mehr ohne Geld taufen will, wenn es ohne Geld in den Schooß der katholischen Kirche getragen wird, da es hier noch eines reichen Pathengeschenks gewärtig seyn kann. — Aber wundern wir uns auch nicht, wenn das Volk eine Mißgestalt von Religionsgrundsätzen verwirft, welche unter lauter Geldspeculationen ein wahres Unthier geworden ist.
[Notes for §136 here]
§137 Herr Wöniger ruft, nachdem er sein Gemälde über verschuldete Armuth theilweise construirt hat, nachdem er die Menschen an den Spieltischen, in den Schnapskneipen und auf den Tanzböden, statt bei der Arbeit findet, mit dem Staunen der Verwunderung: „Aber hat denn noch niemand entdeckt, was hier geschrieben steht? oder ist die Menschheit zu taub, die Lehren zu vernehmen, welche ihr gepredigt werden?!“
Was Herr Wöniger entdeckt hat, das haben schon sehr viele entdeckt. Daß aber gerade die Lehren, welche der Menschheit zu einem sittlich frommen Wandel gepredigt werden, diese verdirbt, daß die Maxime, wie gelehrt wird, auf die Schüler einen größern Eindruck macht, als die Lehre selbst, das haben noch nicht viele entdeckt: sonst möchte unseres Erachtens fein Prediger, welcher die Kinder nicht ohne Geld taufen will, fortpredigen dürfen.
[Notes for §137 here]
§138 Jezt kommen Herrn Wönigers und aller Publiciften Lehren, welche dem Volke seine Sündhaftigkeit vorhalten, zu spät. Wir glauben es gern, daß die Worte der Liberalen ehrlich gemeint sind, und daß sie ohne Hinterhalt gesprochen den willkührlichen Frevel nicht vermehren wollen, welcher jedes Mittel der Bereicherung für geheiligt hält, worüber kein Paragraph im allgemeinen Landrecht angeführt ist. — Wenn man sich aber einbildet, das Volk könne noch auf Worte des Trostes und der Mahnung hören, dann ist man in demselben Irrthum befangen, mit dem man an die Möglichkeit glaubt, daß der Noth durch eine Verfassung, durch Oeffentlichkeit und öffentliche Verträge gesteuert werden könne.
[Notes for §138 here]
§139 Nicht die Armen, die bereits da sind, werden in wenigen Jahren das ungeheure Deficit der neuen Staatswirthschaftslehre aufdecken, sondern alle, welche jezt noch um ihre productive Existenz ringen, müssen dem Schwindelgeist und der Nichtswürdigkeit als ein Opfer fallen. Glaubt man, es handele sich hier um die Unterstüßung von einigen Tausend Armen? und glaubt man, man dürfe nur zu diesem Zweck die christliche Barmherzigkeit zu Hülfe rufen? Dieser Glaube war der Deckmantel der Bereicherung und Selbstsucht. Er war es, der die Kunstgriffe der Speculation gestüßt hat. Giebt es nach dieser moralischen Umwälzung noch Mitglieder der Gesellschaft, welche Mittel und Kraft besigen, Helfer in der Noth zu seyn, so ist diese Kraft das Ergebniß einer in der Liebe zu seinen Mitmenschen geläuterten Erfahrung. Noch einmal — nicht die Noth, welche bereits herrscht, ist das größte Uebel, wir dürfen hier nicht mit den Statistikern rechnen, daß sich in Deutschland, oder vielmehr im preußischen Staate das Verhältniß der Armen wie 1 zu 25 herausstelle: das Geld rückt mehr und mehr in kleinere Kreisen ein: wer es zuletzt hat, der mag es festhalten. Doch ehe es entschieden ist, wer den Talismann der irdischen Glückseligkeit besizen soll, werden Kaufleute, Fabrikanten, Dekonomen, Hand-werker und Kapitalisten in Massen stürzen, um zuleßt die Knechte derer zu werden, deren Herren sie waren.
[Notes for §139 here]
§140 So sind die Aussichten! so ist die Zeit, in welcher wir leben, ohne Beispiel in der Weltgeschichte. Wenn sich in frühern Zeiten mit dem Wissen und den vermehrten Bedürfnissen der Höhepunkt der Staaten nahte; dann sind wir keineswegs geneigt, die Gegenwart mit ihrem vorgeschrittenen Einfluß der Civilisation in irgend einen Vergleich mit frühern Perioden und Verhältnissen zu stellen. Auch wird es den Organen der höhern Politik nicht aus dem Gedächtniß entschwunden seyn, daß man ihnen nach dem Sturz des französischen Kaisers mahnende Worte zurief: „das deutsche Volk habe den Beruf, durch eine ungeheuchelte Lehre der Moralität ein glückliches Volk zu werden.“ Aber man antwortete aus Karlsbad und Aachen mit diplomatischer Weisheit: „Man müsse die Sache besser verstehen.“ Wir wissen recht wohl, daß nach Wiederherstellung des Friedens eben so große Opfer nöthig waren, als im Kriege gegen den Zwingherrn selbst. Eine ungeheure Schuldenlast drückte das Vaterland und um es von dieser Last zu befreien, hielt man jedes Mittel für gerecht. Natürlich erhielt die ganze Einrichtung, der wir unsere Kräfte weihen sollten, eine materielle Basis. Auf diese gründete sich die unbeschränkte Herrschaft der Leidenschaften, welche allen Erziehungs- und Bildungsanstalten zum Trotz sich fortan materieller Interessen bemächtigten und mit dem Grundsaß — „Haben ist besser als nicht haben“ zu leben sich gezwungen sah.
[Notes for §140 here]
§141 Der geneigte Leser wird den Standpunkt, auf welchen ich den Menschen in staatlichen Verhältnissen gestellt und von dem aus ich seine Schicksale untersucht und beobachtet habe, mit hellsehenden Augen gewiß nicht verkennen. Daß bei dieser unglücklichen Erscheinung weder im Einzelnen noch im Ganzen von einer selbstverschuldeten Noth die Rede seyn kann, wird keiner, welcher die Sache betrachtet, wie sie ist und nicht wie sie seyn könnte; keiner, der die Verhältnisse, welche den gegenwärtigen Nothstand erzeugten, zu würdigen weiß, in Zweifel ziehen. So lange die Menschheit keine Reflexionen für sich hatte, so lange sie sich über den Zweck ihres Daseins keine Fragen vorlegen durfte noch konnte, da konnte den historischen Rechten aus dem Innern ihrer Wirkungskreise keine Opposition entgegen treten, welche dem Bestehenden gefährlich endlich mit Sturz und Vernichtung drohte. Wer den Zustand der Noth, wie er bereits ist, und ohne alle Widerrede noch werden wird, wer die Gefahren dieses Zustandes in ihrem ganzen Umfange ermißt, der leider, der weiß kein Mittel anzugeben, welches dieser moralischen Umwälzung einen Damm entgegenstellen könnte.
[Notes for §141 here]
§142 Wenn wir diese Meinung offen und unumwunden aussprechen, dann mache man uns nicht den Vorwurf der Böswilligkeit, denn wir selbst haben nichts gegen die Autorität des historischen Princips einzuwenden, wenn es Anstalten zu treffen weiß, welche jedem fähigen Staatsbürger Gelegenheit geben, durch Grundsätze der Ehre sich und seine Familie zu ernähren.
[Notes for §142 here]
§143 Wir schließen dieses Kapitel mit dem ersten Artikel unseres politischen Glaubensbekenntnisses: „wo Menschen schwelgen, soll der Mensch nicht leiden und vor Hunger und Elend umkommen. Nicht ein einziger soll es; denn lasse ich erst einen mit Gleichmuth verhungern, dann bin ich schon der gleichmüthige Schust, auch noch zehn verderben zu lassen.“
[Notes for §143 here]
§144 Carl Reichardt.
[Notes for §144 here]
⬅ Hinrichs Geheimnisse ➡