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Carl Reichardts Vertheidigung des ersten Bogens seiner Schrift: das preußische Bürgerthum

Deutsch

Author: Carl Reichardts  Year: 1844 

§1 Im vorigen Heft der Literatur-Zeitung war die Entscheidung des königlichen Obercensurgerichts auf die von Karl Reichardt gegen die Verfügung des Censors geführte Beschwerde mitgetheilt.
[Notes for §1 here]
§2 Die Beschwerde selbst wird dem geneigten Leser hiermit übergeben.
[Notes for §2 here]
§3 An ein Hohes Königlich Preußisches Ober-Censur-Gericht.
[Notes for §3 here]
§4 Die Verweigerung der Druckerlaubniß für den beiliegenden Bogen, eine Verweigerung, welche der Censor sowohl durch Hinweisung auf Art. IV. der Censur-Instruction, als auch in persönlichem Gespräche mit mir durch weitere Ausführung specieller Gründe, die ich nicht anerkennen kann, motivirte, führt mich zu einem hohen Censur-Gericht mit der ergebensten Bitte: den Inhalt desselben einer genauen Prüfung zu unterwerfen.
[Notes for §4 here]
§5 Der Verfasser findet es nöthig, ein hohes Censur-Gericht mit seinen Verhältnissen bekannt zu machen, da die ganze Abfaßung der Schrift, so wie auch der Plan zu derselben, eine Folge seiner Erfahrungen ist, die er durch seine Stellung im Leben sammeln konnte.
[Notes for §5 here]
§6 Ich heiße Carl Ernst Reichardt, bin Buchbinder, und als solcher seit dem Jahre 1837 in Berlin als Bürger und Meister ansässig; fand aber bei der großen Ueberfüllung unseres Gewerbes für mich und meine Familie hier mein Brod nicht und begab mich, nachdem ich mein ganzes Betriebscapital zugesezt hatte, im Jahre 1840 nach Posen, wo ich glaubte, daß ein arbeitsfähiger Mann noch eher an seinem Platze sei. Allein ich mußte mich überzeugen, daß ein selbstständiges Geschäft ohne Betriebscapital in dieser Zeit nicht aufkommen kann, um so mehr, wenn der Mann, der solches unternimmt, noch andere Pflichten zu erfüllen hat, als für sich allein zu sorgen.
[Notes for §6 here]
§7 Ich sah also die Unmöglichkeit, mich in genannter Stadt ohne Geld zu halten, ein, und kam im Laufe des Jahres hierher zurück.
[Notes for §7 here]
§8 Ich habe die jetzigen Zustände praktisch durchgemacht. Ich habe an mir und vielen Handwerkern, mit denen ich in Berührung kam, wichtige Erfahrungen sammeln können.
[Notes for §8 here]
§9 Wenn ich nun mein praktisches Wissen noch durch das Lesen vieler Schriften und öffentlicher Mittheilungen über unsere Zustände Gelegenheit fand, zu erweitern, und meine Erfahrungen durch eine literarische Arbeit, betitelt „das preußische Bürgerthum von einem Manne aus dem Volke“ zur öffentlichen Kenntniß bringen will: das, glaube ich, wird mir ein hohes Censurgericht nicht verweigern. --
[Notes for §9 here]
§10 Ich bin kein Schriftsteller von Profession, sondern ich schreibe aus Gewissenspflicht: und wenn ich in meiner Schrift, deren ersten Bogen ich einem hohen Censurgericht zum höheren Gutachten vorlege, die ganze Wahrheit werde gesagt haben; dann werde ich wahrscheinlich nichts weiter schreiben.
[Notes for §10 here]
§11 Eine gründliche Darlegung unseres gegenwärtigen Verhältnisses, unseres Standpunktes, was wir als Bürger gewesen sind, und was wir jezt sind, zu geben: dazu ist die reine Theorie nicht genugsam befugt; denn noch habe ich keine Abhandlung gelesen, die nicht den Mangel der Einseitigkeit gleich am Eingang mit sich geführt hätte.
[Notes for §11 here]
§12 Ich habe nun in der Einleitung meiner Schrift gesagt: „daß das Gewerbegeseß von 1810 durch die Form, in welcher der neue Bürgerstand eristirt, für ihn verderblich geworden sei.“ Ich sage: „fortwährende Täuschung bringt Gefahr.“ Das heißt: ich zweifle, daß die Regierung den ganzen Umfang unserer Noth kennt. Und ich glaube, daß es die Pflicht des erfahrenen Mannes sei, diese ihr darzustellen, ohne weitere Rücksichten, als im Vertrauen auf die Regierung, das ich offen genug ausspreche, ihr einen bis jezt vielleicht zu wenig gekannten Zustand ans Herz zu legen.
[Notes for §12 here]
§13 Kein guter Bürger zweifelt daran, daß der Regierung das Wohl des Volks am Herzen liegt. Darum sage ich „werden für jeden Uneingeweihten die Ursachen vorhandener Besorgnisse immer ein Räthsel bleiben.“ Der Gedankengang, den ich nun verfolge, ist der: wenn die Regierung von unserer Noth nichts Gründliches erfährt, so liegt dies nicht an ihr, sondern an denen, die, zum Reden eingesetzt, nichts Durchgreifendes sagten. Ich sage, daß der König durch einen kraftgebenden Act der Gnade:
[Notes for §13 here]
§14 die Städteordnung;
[Notes for §14 here]
§15 den Bürgern Gelegenheit gab, ihre Interessen durch die Einsichtsvollsten aus ihrer Mitte vertreten zu lassen. Daß er ferner für die Interessen des Volkes Provinzial-Landstände zusammenrief. Wenn ich nun sage, „der König legte seine Bedeutung in jene Verordnung,“ liegt darin etwa eine Satyre; habe ich nicht Recht? Die Central Regierung giebt sich nicht mit dem Geschäft ab, in der Volksbetriebsamkeit kleine eingerißne Uebel und Mißbräuche zu beobachten und zu untersuchen. Hier haben die Stadtverordneten und Provinzial-Stände das Amt, zu reden.
[Notes for §15 here]
§16 Meine ganze Bezugnahme auf unsere Repräsentanten drückt die Ueberzeugung aus, daß sie das Geschenk, was man ihnen bot, nicht zu einem Rechte zu machen wußten. Das heißt, daß sie es nicht verstanden, als pflichtmäßig und getreue Bürger, die ihnen von des Königs Majestät ertheilte Befugniß zu benutzen, über das Gesammtinteresse mit zu wachen, und durch eine vernünftige Darstellung der Verhältnisse der Regierung über das Getriebe des Volkslebens eine helle Anschauung zu verschaffen. Seite 5 führe ich an: „den Provinzial-Ständen steht es frei, zu bitten. Nun sagt ihr zwar, ihr liberalen Theoretiker, daß in ihren Versammlungen nur Männer des Standes und nicht des Volkes sitzen: daß die Regierung eine zu große Macht habe, freisinnige Bitten zurückzuweisen u. s. w.“
[Notes for §16 here]
§17 Den letztern Satz hat der Herr Censor besonders angestrichen; darf ich aber nicht eine Meinung, welche oft genug gegen die Provinzial-Stände ausgesprochen ist, anführen, um sie zu widerlegen? Meine Widerlegung ist aber die: die Provinzial-Stände hätten — nur wollen sollen, und sie wären Männer des Volkes geworden; die Regierung hätte sie gewiß auch gehört.
[Notes for §17 here]
§18 Denn wahrlich! „diese ist unserer bürgerlichen Glückseligkeit nicht im Wege; kann und muß ihr Interesse sein, daß wir gedeihen.“
[Notes for §18 here]
§19 Ich drücke mich nach meiner bürgerlichen Praxis nicht falsch aus, wenn ich sage, „gesetzt auch: die preußische Regierung sei nicht liberal genug und wolle der öffentlichen Meinung kein oppositionelles Recht einräumen &c.“ Ich stelle unsern Vertretern diese Proposition, um ihnen zu beweisen, daß sie ihre Stellung nicht begriffen. Sie ließen sich durch einen ganz natürlichen Widerstand irre machen.
[Notes for §19 here]
§20 Was ich nun über sie in dem vom Herrn Censor gestrichenen Satz, Seite 6, weiter gesagt habe, als: „wenn auch kein Volk von Zuhörern von der Tribune herab euern Ehrgeiz zu spornen diente, und durch stürmischen Applaus die Wände erzittern ließ,“ erkläre ich nach dem Resultat ihrer Wirksamkeit, als eine folgenrechte Redensart.
[Notes for §20 here]
§21 Seite 8, als: „Bei unserm denkenden Volke, dem man gewiß nachrühmen wird, daß es ruhig ist, und die Zustände, so lange es nur geht, erträgt &c.“ findet der Herr Censor in der Form meiner Behandlung das sicherste Merkmal der Ironie, welche er nun auf die ganze Abhandlung meiner Zeitschilderung auf Seite 10 überträgt; und in dem Lobe, das ich dem König ertheile: daß er das Beste seines Volkes als ein christlich frommer Mann wollte; die unwiderlegbare Spitze der Ironie.
[Notes for §21 here]
§22 Nimmermehr würde ich mich leichtsinnig einer Arbeit unterzogen haben, bei der, wie Jeder begreift, die gründlichste Kenntniß aller Thatsachen und ihre Würdigung zu Grunde liegen muß. Entscheide das hohe Censurgericht über den ganzen Satz Seite 10, wo ich anfange: „Allein zu einer Veränderung von Gesetzen, welche den Staat aus großer Gefahr gerettet &c.“ bis zum Schluß, wo ich unsern verewigten König als einen christlich frommen Mann bezeichne und weise mich zurecht, ob sich in ihm eine Unwahrheit ausspricht, und ob in ihm etwas Bezügliches, Censurwidriges enthalten sei.
[Notes for §22 here]
§23 In Bezug auf den ersten, Seite 6, vom Herrn Censor angemerkten Satz, daß die Volksnoth bei uns groß sei, sage ich nur, daß diese Bemerkung eine wahre ist, und daß Wahrheiten aussprechen, um eine mögliche Heilung herbeizuführen, wahrlich nicht staatsgefährliche Ironie sein kann.
[Notes for §23 here]
§24 Bis jest habe ich an die Wahrheit meiner Rede noch den Glauben und halte ihn fest. Ich und meines Gleichen haben von der Censur eine andere Meinung, als daß sie die Wahrheit durch einen Federstrich vernichten sollte. Freilich muß ich erstaunen, wenn der Herr Censor mir eine Wahrheit streicht, welche im Laufe der lezten Jahre das tägliche Thema der Publicisten gewesen ist, die Bogen lange Commentarien über dieselbe geschrieben, und ohne ihre tiefsten Beweggründe zu kennen, ihr Dasein oft zum Gegenstand des bittersten Tadels machten.
[Notes for §24 here]
§25 Da sage ich ganz einfach: „das Volk litt denn durch das Uebermaß der Erzeugnisse fand dessen Industrie weder Absatz, noch der Arbeiter Beschäftigung, es hoffte auf Erlösung, auf eine besondere Wendung der Dinge, ohne eigentlich zu wissen, wodurch diese Dinge erscheinen sollten.“ Ich finde die Wahrheit eben so nothwendig, als die Ruhe die Pflicht eines jeden Bürgers ist, und wenn ich nach meiner Stellung, nach meiner Ueberzeugung einer täglich überhand nehmenden Armuth Bedenken trage, daß ein solches Verhältniß dauerhaft sei, und mich in jener für den Herrn Censor bezüglichen Stelle ausdrücke: „bei unserm denkenden Volke z.“ dann sehe ich voraus, daß unsere hohe Staatsbehörde eine solche Meinung von einem Bürger, einem praktisch erfahrenen Manne anders aufnehmen wird, als wenn fort und fort die Theorie ein Verhältniß zur Zielscheibe ihrer Operationen macht, ohne es in seiner tiefsten Gründlichkeit erkannt zu haben.
[Notes for §25 here]
§26 In meiner Abhandlung über Gewerbefreiheit werde ich die Sache ausführlich erörtern.
[Notes for §26 here]
§27 Ich wollte die dem Herrn Censor mißfällige Stelle ändern, allein ich fand die Worte für meinen Zweck gerade passend, und in dem Ausdrucke „denkenden Volke“ keinen Winkelzug.
[Notes for §27 here]
§28 Seite 11 rede ich von einem wunderbaren Zusammentreffen historischer Thatsachen in der preußischen Monarchie: daß man es bei dem Tode Sr. Majestät des Königs merkwürdig fand, daß gerade ein Jahrhundert früher der große König den Thron bestieg &c.
[Notes for §28 here]
§29 Bei alle dem, daß in dem Censurbogen durch ein Versehen beim Druck, durch Weglassung zweier Worte in dem Satz gar kein Zusammenhang liegt, (es soll nehmlich heißen: „durch ein wunderbares Zusammentreffen historischer Thatsachen war das Jahr 1840 in der preußischen Monarchie ein bedeutungsvolles“) hat ihn der Herr Censor doch angezeichnet. Ich weiß nicht, was darin für ein Geheimniß steckt. Ich vermuthe, daß der Druckfehler die Schuld trägt.
[Notes for §29 here]
§30 In Bezug auf den Freiheitsschwindel unserer Liberalen, die nur immer auf die Gelegenheit zu passen scheinen, feststehende Verhältnisse über den Haufen zu werfen, daß aber ein leiser Druck der Maschine hinreichend sei, die Eisenfresser in Furcht und Zittern zu setzen, hätte ich mich etwas derber ausdrücken sollen indessen habe ich klar genug dargethan, daß wir wohl wissen, was diese mit uns und der bestehenden Ordnung im Sinne führen.
Wenn ich also die Zügel der Ordnung in den Händen desjenigen sehe, dem sie durch historisches Recht überliefert worden sind, dann möchte ich nach Zusammenstellung aller liberaler Tendenzen vor Lachen mir den Bauch halten.
[Notes for §30 here]
§31 Seite 12, wo ich von erwarteten Reformen und der plötzlichen Mündigkeit des Volkes rede, hat mir der Herr Censor bis auf die Zeit, die, wie ich sage, „kein Machwerk des Augenblicks ist,“ alles als bezüglich angestrichen. Ich bitte ein hohes Censurgericht, darauf zu achten, daß ich in den Worten: „der König neigte sich dem Prinzip separirter Volksklassen“ nichts als eine gefällige Darstellung der Verhältnisse geben will. Wie oft habe ich gelesen, „daß der König den Majoratsadel begünstigt und an dem Corporationswesen seinen Gefallen hat.“ Sollte denn damit, daß man eine ganz einfache Thatsache erzählt, zugleich ein Tadel ausgesprochen sein? Was ich von und über die Reformen denke und darüber gesagt habe, darin liegt doch für die Censur nichts Strafbares? Ich sage ohne Weiteres: „wir können von der Macht und dem Willen eines einzigen Mannes nicht verlangen, daß sich urplößlich die ganze Gestalt der Zeit verändern soll, und zwar zu unserm Vortheil.“
[Notes for §31 here]
§32 Ich meine, hierzu ist mehr nöthig, als Concession und Redensart.
[Notes for §32 here]
§33 Ich gehe zu Seite 13 über; Erwartung und Hoffnung drängt sich hier zusammen. Und was für eine Erwartung? Ja! ihr liberalen Politiker! ihr erwartetet eine Constitution! -- auf daß ihr glänzen könntet durch eure pomphaften, gehaltlosen Reden. Daß man bei eurer Erscheinung von euch sagen sollte: „seht ! hier geht, dies ist ein Volksrepräsentant, ein Mitglied der Deputirtenkammer.“
[Notes for §33 here]
§34 Eine Constitution zu geben, liegt nicht aus dem Machtgebiet eines Königs. Wenn ich nun aber sage, daß die meisten unter euch nicht wußten, was eine Constitution bedeutet, daß ich in eure Sache, in der, wie ihr meint, für uns das einzige Heilmittel unserer Rettung liege, Mißtrauen mit sammt eurem Talent setze; wenn ich, wie der Inhalt des Satzes ausdrückt, in den Bestrebungen der Liberalen nichts für uns selbst erblicke und eben damit einverstanden bin, „daß alles beim Alten blieb:“ ist das für die Censur eine gefährliche Tendenz? oder ist es der Censur gestattet, willkührlich Tendenzen zu suchen, und nach ihrem Bedünken herauszudeuten ? Nein ! das kann ich mir nicht denken.
[Notes for §34 here]
§35 Die Menschen machen sich oft verkehrte Vorstellungen; deßhalb sage ich auch: „viele, die von einer praktischern Noth, als von der, an der Gesetzgebung nicht theilnehmen zu können, bedrängt waren, glaubten, daß der neue König lauter Einrichtungen mit auf den Thron bringen würde, um den Arbeiter, den Handwerker, den Kaufmann, den Fabrikanten und den Millionair vor Hunger zu schützen.“ Eben so wenig wie ich mir denken kann, daß die Censur willkührlich verfahren darf, so fest bin ich überzeugt, daß solche Einrichtungen in keines einzelnen Menschen Macht liegen. Es ist besser, die Sache geht ihren Gang. Darüber wird sich der Vernünftige weder wundern, noch seine Unzufriedenheit gegen einzelne Menschen richten.
[Notes for §35 here]
§36 Seite 14-15 geben eine kurze Zusammenfassung dessen, was in der ganzen Einleitung gesagt ist. Wenn also ein hohes Censurgericht findet, daß in der Einleitung selber nichts Staatswidriges gesagt ist, sondern nur Gesinnungen, die aus dem Herzen heraus gesprochen sind; so wird es auch die Zusammenfassung nicht gefährlich finden. Ich meine: „daß, wenn das Volk verlangt, daß ihm geholfen werde, es auch zeigen solle, daß es der Hülfe werth sei, und in seinem Verhältnisse ein Wort sprechen muß.“
[Notes for §36 here]
§37 „Hilf dir selber.“
[Notes for §37 here]
§38 Hier übergebe ich dem hohen Censurgericht meine Angelegenheit.
[Notes for §38 here]
§39 Wie ich schon gesagt habe, ich hätte nicht geglaubt, daß ich bei einem hohen Censurgericht würde Zuflucht suchen müssen, denn ich hatte von der Censur eine andere Vorstellung, als wie sie sich mir zeigte.
[Notes for §39 here]
§40 Bis jetzt hielt ich und meines Gleichen die Censur für eine Wohlthat, für eine würdige Einrichtung des Staates, des Staats: des großen preußischen Staates.
[Notes for §40 here]
§41 Wir glaubten, das, was der Censor streicht, das sind revolutionaire Faseleien; das sind dumme, grundlose Angriffe. Als ich aber die reine Wahrheit, wie ich sie wußte, niederschrieb: als ich mit dem, was ich sagte, dem Staat und meines Gleichen nützen wollte, als ich ein ehrliches Wort rund heraus sagte; da glaubte ich nicht, daß der Herr Censor mich mit den Worten abweisen würde: „Was ich da geschrieben hatte, sei staatsgefährlich.“ Wahrhaftig! bis dahin war es mir noch nicht eingefallen, mich dem Staate gegenüber zu stellen und zu glauben, daß ich, der simple Bürger, dem großen preußischen Staate gefährlich werden könne.
[Notes for §41 here]
§42 Auch bis zu uns ist das Gerücht von der Einsetzung eines Censurgerichts gedrungen. Gewiß! ich habe ein großes Zutrauen in die Einsicht dieses Gerichts. Deshalb erlaube ich mir, nach meinem bürgerlichen Rechtssinn noch einige Andeutungen zu machen.
[Notes for §42 here]
§43 Der Herr Censor sah nach der Firma der Verlagshandlung und meinte: „Was bei Egbert Bauer in Charlottenburg erscheine, das sei die Censur gehalten, einer strengern Aufsicht zu unterwerfen.“
[Notes for §43 here]
§44 Natürlich hat mich diese Mittheilung des Censors befremdet.
[Notes for §44 here]
§45 Nicht bloß, weil ich daraus den Schluß nehmen mußte, daß das, was ich gesagt, einer Firma wegen besonders leiden, und daß die Wahrheit nach der Firma abgemessen werden solle, sondern weil ich hierin eine willkührliche Ungleichheit des Rechtes sehe.
[Notes for §45 here]
§46 Zugleich stellte der Herr Censor die Vermuthung auf, und wie ich wahrzunehmen glaubte, mit Ueberzeugung: daß die Abfassung des ersten Bogens von meiner Schrift aus der Feder geübterer Schriftsteller geflossen sei, als wie sie plötzlich aus dem Volk auftauchen könnten.
[Notes for §46 here]
§47 Er erlaubte sich, nach der Firma auf die Gebrüder Bauer, als die Verfasser des Bogens zu schließen. -- Nein, meine Herren! Die Schrift ist die Frucht meiner Erfahrung, meiner reiflichen Ueberlegung: ich selbst habe sie componirt und niedergeschrieben.
[Notes for §47 here]
§48 Erkennt der Censor in ihr Schärfe, oder was noch mehr sagen will, eine staatsgefährliche Ironie? er hat Unrecht, und deshalb muß ich mich vertheidigen, und die Entscheidung meiner Sache einem hohen Censurgericht übergeben.
[Notes for §48 here]
§49 Möge es mich bald von seiner Entscheidung in Kenntniß seßen, da der Druck der folgenden Bogen
ungestört fortgeht, der Saß des ersten Bogens aber
ohne bedeutende Kosten nicht lange stehen kann.
[Notes for §49 here]
§50 Ich bitte ein hohes Censur-Gericht, die Antwort auf dies mein Schreiben, an die Buchhandlung von Egbert Bauer in Charlottenburg zu adreßiren.
[Notes for §50 here]
§51 Ich bin
Eines hohen Censurgerichts
Hochachtungsvoller
[Notes for §51 here]
§52 Carl Ernst Reichardt.
[Notes for §52 here]
§53 Berlin, den 13. November 1843.
[Notes for §53 here]
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