§ 12
Wären diese Worte zu Deutschland in der Philisterperiode, oder wenigstens vor dem Gebrauch der Locomotiven gesprochen, vielleicht hätten sie Eingang gefunden: vielleicht auch nicht. Aber im Jahr 1843, also drei Jahre nach den Krönungsacten von Königsberg und Berlin, ist es von der deutschen Nationalität zu viel verlangt, daß sie sich, wie die Forderungen unsers Verfassers weiter lauten, für Preßfreiheit, Deffentlichkeit des Prozesses, Gleichheit der Militairverfassung auf dem Fuße wahrer Landwehren, Festungsbauten: und was überdies noch alles zu einer soliden Staatswirthschaft gehört, interessiren soll. Wir wollen Herrn Brüggemann nicht den Vorwurf machen, daß er die Geschichte Preußens, den Zustand der Gesellschaft und ihrer Verfassung nicht gründlich erschaut hätte, wenigstens zeigt seine Schrift, daß sie durch eine ziemliche Benußung von Materialien hinter die Ursachen und Verhältnisse gekommen ist, auf welche sich seine Hypothese des preußischen „Berufs“ gründet: dennoch leidet sie an dem unglückseligen Wahn, das historische Recht werde nach einigen Definitionen der Freiheit dem Volke die Zugeständnisse formeller Erklärungen entgegentragen, als ob es ein Kinderspiel wäre, eine Königskrone an den Egoismus einer Klasse Menschen zu veräußern. Sie verfällt bei allem Streben nach Gründlichkeit des Geschichtsstudiums in den Hauptfehler, leichtgläubig genug zu sein, das historische Recht werde sich durch einige dialektische Schlüsse, mit Hintanseßung seiner Rechte, seiner Sicherheit für ein liberal erträumtes Gemeinwesen bestimmen lassen. -- -- In dem weitern Verlauf dieser „räsonnirenden“ Abhandlung ist es schade um die ehrliche Denkweise; fast jedes Blatt ist hier germanisirt; fast jedes Blatt ist für die Nachkommen Herrmanns eine Warnung, vor dem Sausen und Brausen der englischen Lokomotiven hübsch munter zu bleiben, ja nicht instinktmäßig wieder einzuschlafen. Wir wissen zur Stunde selbst nicht recht, ob unsere berufsreichen Socialisten schlafen wachen oder träumen, nur so viel wissen wir, daß die Stadtverordneten der Residenz keine Oeffentlichkeit wollen. Wir haben gesehen, daß sich diese an unsere Reden nicht viel kehren, wenn auch Herr Brüggemann sagt: „es gilt die Hinüberseßung des büreaukratischen Staats in den öffentlichen, den auf der anerkannten Mündigkeit der Stände des Volkes beruhenden Staat.“ Wenn auch auf derselben Seite weiter nachgewiesen wird, „daß durch ein selbstsüchtiges Privattreiben die wahre Freiheit, die wahre Weisheit nicht gedeihen könne; sondern daß es gelte, den Staat, wie es bei den Vätern war, durch eine freie Einung freier Männer frei hinzustellen, weil dieser Sinn politischer Mündigkeit für ein in Waffen, in Freiheit, in Gehorsam erzogenes Volk zum sittlichen Bedürfniß geworden sei,“ so liegt dies alles dem Verständnisse unseres gelehrten Publikums noch viel zu fern. Wenn diese Masse schon dahin gelangt wäre, die Freiheit für ein sittliches Bedürfniß zu halten, dann möchten die Berliner Volksblätter mit ihrer, auf temporäre Volksgesinnung und staatliche Zustände reflectirenden Logik vor der Censur der „königlichen Volksfreiheit“ nicht länger bestehen können. Eine Nation, die es bis zu einer solchen „Freiheit“ gebracht hat, hält solche bellende oder achselträgerische Organe für seiner unwürdig.
[Notes for § 12 here]